Die Schweiz muss sich auf neue EU-Ansprechpartner einstellen: Die neue Regierungsmannschaft ist nun bekannt. Eine wichtige Rolle spielen werden der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Aussenbeauftragte Federica Mogherini und Wirtschafts- und Finanzkommissar Pierre Moscovici. Sie alle kennen die Schweiz. Sie kennen ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen, wenn es hart auf hart geht.
Schweiz als «weisser Fleck» auf der Karte
Der Luxemburger Jean-Claude Juncker bekam die Schweizer Befindlichkeiten selber zu spüren. 2011 bezeichnete er es als «geostrategisches Unding, dass wir diesen weissen Fleck auf der europäischen Landkarte haben.» Juncker sprach von der Schweiz. Und wurde von SVP-Stratege Christoph Blocher postwendend in die Nähe von Hitler gerückt. Juncker nahm’s gelassen und traf sich mit ihm zu einem Streitgespräch im Zürcher Schauspielhaus. Dabei liess der Luxemburger Sympathien für sein Gastland erkennen: Die Schweiz würde der EU bei einem Beitritt «eine substanzielle Dosis an gesundem Menschenverstand einimpfen», meinte er.
In seiner künftigen Mannschaft beschäftigt er – ihre Bestätigung durch das Parlament vorausgesetzt – allerdings auch Leute, die weniger Verständnis für die Schweizer Befindlichkeiten aufbringen.
Doch nicht nur das Spitzenpersonal ist entscheidend. Wichtig sei genauso, welche Leute im Stab mitwirken, die aber in der Öffentlichkeit wenig oder gar nicht bekannt sind, schreibt der «Spiegel». Und da spielen laut der deutschen Zeitschrift bald mehrere Deutsche eine entscheidende Rolle. Das wiederum kommt nach Einschätzung von Beobachtern in Brüssel der Schweiz eher zugute.
Schlüsselfigur für Bern
Federica Mogherini ist die wichtigste Ansprechpartnerin, wenn es um Europa geht. Mit ihr und dem Auswärtigen Dienst muss die Schweiz bis 2017 aushandeln, wie es mit der Personenfreizügigkeit, den bilateralen Verträgen und dem institutionellen Rahmenabkommen weiter geht.
Ihre Vorgängerin Catherine Ashton gab sich der Schweiz gegenüber sehr lange reserviert. Italien wiederum war in den letzten Jahren mit der Schweiz recht unzimperlich umgegangen. Es nahm die Schweiz wegen ihrer Holdingbesteuerung ins Visier und setzte sie auf die schwarze Liste der Steuerparadiese. Der bürokratische Aufwand für Geschäfte mit Italien stieg.
Guter Ruf in der Schweiz
Dieser Entwicklung zum Trotz geniesst die 41-jährige italienische Aussenministerin in Schweizer Diplomatenkreisen und bei Aussenminister Didier Burkhalter einen sehr guten Ruf. Federica Mogherini gilt als kompetent, sympathisch und pragmatisch. Beim Besuch von Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano zeigte sie sich gut vorbereitet.
Offenheit und Sympathie alleine reichen zwar nicht aus, um die EU zu einem Kurswechsel zu bewegen. Aber wo es Spielräume auszuloten gilt oder die zügige Abwicklung einer Angelegenheit von Vorteil ist, können sie eine Rolle spielen.
Wer schaut zum Schweizer Dossier?
Dennoch wird die Schweiz für die EU keine Priorität haben: Es wird erwartet, dass sich Federica Mogherini zunächst um die Ukraine und das Verhältnis mit Russland kümmern wird.
Unter ihrer Vorgängerin Catherine Ashton war Chefdiplomat David O’Sullivan für die Schweiz zuständig. Er übersiedelt aber im November als EU-Botschafter nach Washington. O'Sullivan und der Schweizer EU-Unterhändler Yves Rossier hatten ein gutes Einvernehmen. Heiss gehandelt als seine Nachfolgerin wird Helga Schmid. Die deutsche Diplomatin ist Stellvertretende Generalsekretärin für politische Fragen des Europäischen Auswärtigen Dienstes.
Französisches Enfant terrible
Pierre Moscovici verfolgte in seiner Zeit als französischer Finanzminister einen harten Kurs, als der Streit um die Erbschaftssteuern für Franzosen in der Schweiz losging. Nun soll der 57-jährige Sozialdemokrat in der EU zuständig werden für die Steuerdossiers.
Bei der Bekämpfung der Steuerflucht ist von ihm kein Pardon zu erwarten. Derzeit liegt die Themenführung aber eher bei der OECD und weniger bei der EU.
Konflikte vorerst entschärft
Den Streit über die Unternehmenssteuern haben die Schweiz und die EU fürs Erste bereits beigelegt. Die Schweiz will die umstrittenen Sondersteuern für Briefkastenfirmen, Holdings und andere ausländische Gesellschaften abschaffen. Moscovici wird gewiss ein Auge darauf richten.
Er selbst steht allerdings ebenfalls unter Beobachtung. Als französischer Finanzminister häufte er hohe Staatsschulden an und missachtete die EU-Defizitgrenzen. Er ist ein klarer Gegner der deutschen Sparvorgaben und der Stabilitätspolitik von Angela Merkel. Seine Nominierung stösst gerade in Deutschland, Holland und den skandinavischen Staaten auf grossen Widerstand.