Schweizer Welternährung
Es gibt im Schweizer Pavillon «Official Suppliers», «Gold-» und «Platinum-Partner». Nestlé ist ein solcher Partner. Das Unternehmen füllt einen der vier riesigen Schweizer Nahrungsmittel-Silos mit Nescafé Beuteln, und Nestlé ist mit einer Dauerausstellung präsent. Johannes le Coutre vom Nestlé Research Center ist einer der Köpfe hinter dem Auftritt des Nahrungsmittelkonzerns.
Im Vergleich mit früheren Zeiten sieht er einen fundamentalen Wandel in der Nahrhungsmittelforschung: «Gegenüber den 50er-, 60er-, 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist das Gebiet regelrecht explodiert. Hier finden die fundamental neuen Einsichten statt.» Die Idee dahinter sei: «Wie können wir durch Wissenschaft und Ernährung Einfluss auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung haben?»
Nestlé will Forschungsgeschichte erzählen
Die Firmengeschichte der Nestlé begann mit Babymilch. Heute wird erforscht, welche Ernährung eine alternde Gesellschaft braucht, wie Geschmacksvorlieben in der Ernährung entstehen. «Auf der Expo werden sie zum Beispiel ein so genanntes ‹Eye-Tracking-Modul› sehen», führt le Coutre aus. «Die Technologie erlaubt es zu sehen, welches Lebensmittel man sich gerade ansieht. Es wird gezeigt, wie der visuelle Eindruck im Gehirn zu einer kompletten Geschmackswahrnehmung umgemünzt wird.»
Das Thema, wie wir die Weltbevölkerung künftig ernähren können, ist extrem wichtig. Die Schweiz hätte Spannendes beizutragen.
Le Coutres Ausführungen zeigen: Nestlé will in Mailand keine Produktmesse veranstalten, sondern eine Forschungsgeschichte erzählen. Trotzdem wird der Nestlé-Auftritt kritisiert. Tina Goethe, Teamleiterin von Recht auf Nahrung bei «Brot für alle», moniert, die Schweiz vermittle die falsche Botschaft, dass die grossen Agrarkonzerne wie Nestlé und Syngenta die Welt ernährten: «Aus unserer Erfahrung sind es aber ganz klar die Bauern und die Bäuerinnen, die die Welt ernähren.»
Die Schweiz hat den Welternährungsbericht mit unterschrieben, der ein Umdenken fordert, weg von der industriellen Nahrungsmittelproduktion und hin zur kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Eben diese Botschaft vermittle die Schweiz nicht, sagt Goethe – und sieht darin eine verpasste Chance: «Das Thema, wie wir die Weltbevölkerung künftig ernähren können, ist extrem wichtig. Die Schweiz mit ihrem hohen Anteil an biologischer Landwirtschaft und ihrer vielfältigen Produktion hätte Spannendes beizutragen.»
Die Schweiz und der Kaffee – ein Reizthema
Vier Nahrungsmittelsilos zeigt die Schweiz an der Expo, einen mit Salz, einen mit Apfelringen, einen mit Wasser und einen mit Nescafé. Auch der Wasserturm hätte ursprünglich von Nestlé befüllt werden sollen. Nach der Kritik – auch von Goethe – wurde vom Nestlé-Mineralwasser auf Hahnenwasser umgestellt. Und statt der ursprünglich geplanten Nespresso-Kapseln gibt es im Kaffeeturm nun Nescafé Beutel.
Der Kaffee zeige, wie die Schweiz Geld mache, kritisiert Goethe: «Sie importiert billig Rohstoffe, veredelt sie und exportiert sie wieder. Mit Ernährungssicherheit hat das gar nichts zu tun.»
Die Schweiz, ein lange armes Land und ohne Rohstoffe, hat importiert, verarbeitet und exportiert, hier wird geforscht und entwickelt.
23 Millionen Franken kostet der Schweizer Expo-Auftritt, acht Millionen kommen von Sponsoren. Nicolas Bideau ist Präsident von Präsenz Schweiz, die die Projektleitung am Schweizer Pavillon innehat. Bideau verteidigt den Sponsorenauftritt: «Viele Ausstellungen sind sehr interessant, weil sie die Geschichte der Schweiz, ihrer Wirtschaft und Wissenschaft erzählen».
Auch im Fall des Kaffees und Nestlé: «Die Schweiz, ein lange armes Land und ohne Rohstoffe, hat importiert, verarbeitet und exportiert, hier wird geforscht und entwickelt.» Dafür seien Nestlé und der Kaffee ein Paradebeispiel, sagt Bideau.
Die Schweiz ist – was den Wert des Kaffees anbetrifft – der weltweite Top-Exporteur. Der Kaffee Export aus der Schweiz ist dreimal höher als der von Schokolade und vier mal höher als beim Käse. Mehr Kaffee als Käse, also: Sechs Monate hat Bideau Zeit, um an der Expo diese Geschichte zu erzählen. Und er ist überzeugt: Sie wird die Menschen überraschen.