Der Luftpolizeieinsatz der Schweizer Luftwaffe zwischen Schaffhausen und Altenrhein (SG) wäre kaum öffentlich wahrgenommen worden, wenn es nicht zu zwei Überschallknallen gekommen wäre. Zwei bewaffnete F/A-18 Kampfflugzeuge flogen am Morgen nach einem Alarmstart vom Militärflugplatz Payerne (VD) aus zu einer «Hot Mission» in die Nordost-Schweiz.
«Der Alarmstart ist im Rahmen des ‹Luftpolizeidienst 24› so aufgebaut, dass zwei bewaffnete F/A-18 in maximal 15 Minuten in der Luft sind», erklärte Aldo Schellenberg, Kommandant der Schweizer Luftwaffe, gegenüber SRF.
Mustergültige internationale Zusammenarbeit
Die beiden Kampfflugzeuge eskortierten eine israelische Boeing 747 wegen einer Bombenwarnung während etwa sieben Minuten durch den Schweizer Luftraum.
«Der Vorfall ist ein Musterbeispiel für die internationale Zusammenarbeit im grenzüberschreitenden Luftpolizeidienst», ergänzte Schellenberg. «Die Informationskette wurde ausgelöst von den Franzosen. Die deutsche und die österreichische Luftwaffe wurde informiert und jedes der Länder hatte Flugzeuge in der Luft und ergriff Massnahmen, die gemäss der Gesetzgebung notwendig sind.»
Bei einem «Hot Mission»-Einsatz werde zuerst das Flugzeug identifiziert. Dann stelle man sicher, dass es sich an den vereinbarten Flugweg hält. Schliesslich sei man bereit, das Flugzeug zu unterstützen, wenn es zu einer ungeplanten Landung kommen sollte, beschreibt Schellenberg das übliche Vorgehen.
Trainingseinsätze werden laut der Luftwaffe als «Live Missions» bezeichnet. Rund 350 solche Einsätze werden pro Jahr geflogen. «In der Luftwaffe gibt es ungefähr 40 ‹Hot Missions› pro Jahr, schätzte der Kommandant der Luftwaffe.
Luftpolizeidienst wird stetig ausgebaut
Die Luftwaffe stehe mitten im Ausbau des Luftpolizeidienstes, der in Zukunft rund um die Uhr gewährleistet sein solle. «Ein Vorfall wie heute hätte letztes Jahr noch nicht bewältigt werden können», sagte Schellenberg.
«Seit Anfang dieses Jahres haben wir die Betriebszeiten für den Luftpolizeidienst merklich ausgebaut. Wir sind aber tatsächlich während der Nacht – ohne eine Vorankündigung mindestens zwei Stunden vorher – nicht in der Lage, so einen Vorfall zu bewältigen.»
Ab nächstem Jahr werde die Luftwaffe von 8 bis 18 Uhr Alarmstarts sicherstellen, so dass Flugzeuge innert kurzer Zeit in der Luft sein können. «Ab 2018 ist es dann der Zeitraum von 6 bis 22 Uhr; damit haben wir bereits über 90 Prozent des zivilen Luftverkehrs abgedeckt. Ab Ende 2020 spätestens werden wir rund um die Uhr innert 15 Minuten eingreifen zu können.»
Was wäre, wenn?
Der Alarmstart wurde angeordnet, weil es gegen ein El-Al-Passagierflugzeug eine Bombendrohung gab. «Sollte sich tatsächlich eine Bombe an Bord einer Maschine im Schweizer Luftraum befinden, können wir nur sehr beschränkt eingreifen. Das gilt nicht nur für die Schweizer Luftwaffe, sondern generell überall auf der Welt», sagte Jürg Nussbaum, Kommunikationschef der Schweizer Luftwaffe auf Anfrage von SRF News.
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Jeder Fall müsse einzeln beurteilt werden. Bei einer Bombe an Bord oder einer entsprechenden Drohung müsse das Ziel sein, Zentren und Agglomerationen zu umfliegen. Beim heutigen Fall habe man zunächst nicht gewusst, ob an der Drohung etwas dran ist. Denn Drohungen, die sich als unwahr herausstellten, gab es in der Vergangenheit immer wieder.
«Die F/A-18 wurden losgeschickt, um die Piloten im Cockpit zu unterstützen, die im Falle einer Explosion im Innern nicht wissen können, wie ihr Flugzeug von aussen aussieht. In diesem Fall können unsere Piloten Hilfe leisten, etwa beschreiben, wenn man äussere Schäden sieht», erklärte Nussbaum.
Sollte sich etwa jemand an Bord befinden und die Piloten zwingen, den Transponder auszuschalten – das Gerät zum Identifizieren des Flugzeugs auf dem Radar – könnten die Piloten der Luftpolizei Informationen liefern, wo sich das Flugzeug gerade befindet, sagte Nussbaum: «Müsste das Flugzeug so schnell wie möglich landen, begleiten die Piloten die Maschine, etwa wenn Instrumente nicht mehr funktionieren. In einem Fall wie heute geht es letztlich um die Hilfestellung.»
Erkenntnisse aus dem heutigen Luftpolizeieinsatz
Der Kommunikations-Chef der Luftwaffe zieht zwei wichtige Lehren aus dem heutigen Einsatz: Der sich im Aufbau befindliche Luftpolizeidienst funktioniere und die Sicherheit im Luftraum könne nur aufrechterhalten werden, wenn man mit den Nachbarstaaten kooperiere und Informationen austausche.
«Wir haben auch Luftpolizeiabkommen mit unseren Nachbarstaaten Deutschland, Frankreich und Italien. Im Prinzip dürften diese Länder eine Passagiermaschine in den Schweizer Luftraum begleiten, wie es etwa im Fall mit Ethiopian Airlines geschah, die 2014 in Genf landen musste. Und es gilt natürlich auch Gegenrecht, wenn etwa die benachbarte Luftwaffe noch nicht bereit ist, um an der Grenze zu übernehmen. Unmöglich ist aber in jedem Fall ein Waffeneinsatz über fremden Staatsgebiet.»
Der Ausbau des Luftpolizeidienstes kostet laut dem VBS pro Jahr rund 30 Millionen Franken. Dieser Betrag setzt sich aus Personalkosten, Kosten für die Flugsicherung und Betriebskosten zusammen. Bis Ende 2020 werden 100 zusätzliche Stellen bei der Luftwaffe, der Logistikbasis der Armee und der Führungsunterstützungsbasis benötigt.
Es knallt, wenn's pressiert
Nach einem Alarmstart fliegen die Kampfjets mit Überschallgeschwindigkeit an den Einsatzort. Laut der Luftwaffe finden in der Schweiz pro Jahr rund 160 Überschallflüge statt, aber nicht alle im Rahmen von «Hot Missions». Solche Flüge seien bewilligungspflichtig und werden mit Rücksicht auf die Bevölkerung in der Regel nicht über dem Mittelland und nicht unterhalb von 10'000 Metern über Meer durchgeführt. Im Winter darf bei grosser Lawinengefahr nicht mit Überschall geflogen werden.