Nach der Krisensitzung bei der FDP.Liberalen am Montagnachmittag wird klar: Die Parteileitung nimmt die Vorwürfe, die seit letzter Woche in den Medien kursieren, sehr ernst. Der Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder und dem St. Galler FDP-Nationalrat Walter Müller wird vorgeworfen, gegenüber der Public-Relations-Agentur Burson-Marsteller zu wenig vorsichtig und sensibel gewesen zu sein.
Diese hatte offenbar ein Mandat eines kasachischen Politikers und brachte Christa Markwalder dazu, einen Vorstoss mit Fragen zum Demokratisierungsprozess in Kasachstan einzureichen und Walter Müller auf eine Reise nach Kasachstan einzuladen.
Abklärungen über Verletzung des Kommissionsgeheimnisses
Zwar gilt für beide Politiker die Unschuldsvermutung, hält die FDP in ihrem Schreiben fest. Dennoch möchte die Partei nun alle Fragen untersuchen und zwar genau. Für den Parteipräsidenten Philipp Müller ist es zentral zu wissen, ob Christa Markwalder das Kommissionsgeheimnis verletzt habe oder nicht. Dies abzuklären sei Aufgabe des Büros des Nationalrates als zuständige Instanz im Parlament.
Das Büro hat sich mit dem Fall bisher noch nicht beschäftigt und ihn auch nicht traktandiert, teilte Sprecher Mark Stucki auf Anfrage mit. Die nächste Sitzung des Büros finde voraussichtlich am 1. Juni statt. Die Traktandenliste stehe noch nicht. «Es ist also gegenwärtig offen ob und wenn ja, in welcher Form die Thematik diskutiert wird.»
Laut Sonntagsmedien hat Markwalder nicht nur einen öffentlichen Vorstoss an den Bundesrat eingereicht, sondern ihre Fragen zu Kasachstan auch in der vertraulichen Kommissionssitzung gestellt.
PR-Agentur Burson-Marsteller in der Kritik
In der Affäre fordert die Partei nun völlige Klarheit. Christa Markwalder und die Agentur Burson-Marsteller werden aufgefordert, alle Dokumente offenzulegen, die mit den Vorwürfen in Zusammenhang stehen.
Es solle geklärt werden, wer zu welchem Zeitpunkt welche Informationen an welche Stelle weitergeleitet habe. Mit der Public-Relations-Agentur Burson-Marsteller und deren Lobbyistin Marie-Louise Baumann geht die FDP am schärfsten ins Gericht. Sie hätten nun alles zu unternehmen, um zu zeigen, welche Interessen sie selbst und ihre Auftraggeber in der Sache verfolgen. Die Senior Adviser Baumann arbeitete früher selber auf dem Generalsekretariat der FDP.
Bilder vom Wirtschafts-Filz werden wieder wach
Rückendeckung sieht anders aus. SRF-Korrespondent Christoph Nufer meint: «FDP-Präsident Philipp Müller versucht jetzt Schaden von der FDP abzuwenden. Das geht nur über totale Transparenz, möglichst schnell.»
Dabei könne er nicht auf die involvierten Nationalräte Rücksicht nehmen. Der FDP-Präsident habe betont, dass die Kasachstan-Geschichte negative Auswirkungen auf die nationalen Wahlen im Herbst haben könne.
Zuvor hatte die Partei Zuversicht verströmt, war im Hoch. «Die Kasachstan-Geschichte ist jetzt sehr unschön», so Nufer. «Vier FDP-Nationalräte spielen eine entscheidende Rolle.»
Da kommen laut dem SRF-Korrespondenten alte Bilder wieder zum Vorschein: Vom Filz zwischen der Wirtschaft und der FDP. Und genau von diesem Image wollte der volksnahe Parteipräsident Müller die Liberalen nach Jahren des Niedergangs befreien.
Involvierte Lobbyistin verliert Zugang zu Bundeshaus
Die FDP verlangt von ihren Parlamentariern bei der Zusammenarbeit mit der Lobbyistin oder anderen Personen, die für die PR-Agentur tätig sind, «höchste Zurückhaltung». Bis der Fall vollständig geklärt ist.
Die Lobbyistin Baumann hat seit Montag keinen direkten Zutritt mehr zur Wandelhalle im Parlament: Die Nationalrätin Corina Eichenberger (FDP/AG) hat von Baumann den Zutrittsausweis zurückverlangt. Auf der offiziellen «Liste der Zutrittsberechtigten» mit Stand 11. Mai sind die zwei möglichen Zutrittsbadges pro Parlamentsmitglied bei Eichenberger niemandem mehr zugeordnet.
Reisekosten selber bezahlen
FDP-Nationalrat Walter Müller (SG) erhält von der Parteileitung ein Rüge. Er werde angehalten, sich an die Empfehlung der Bundesversammlung zu halten, beim Annehmen von Reiseeinladungen «grösste Sensibilität und Zurückhaltung» zu wahren, schrieb die FDP.
Müller hatte sich laut Medienberichten von Burson-Marsteller nach Kasachstan einladen lassen. Im «Regionaljournal Ostschweiz» sagte er, werde die Reise nun nachträglich selbst bezahlen. Das begrüsst die FDP. Eine angedrohte Anzeige gegen Müller kommentierte die Partei nicht, es gelte die Unschuldsvermutung. Die Jungsozialisten wollen den St. Galler Nationalrat wegen Vorteilsnahme im Amt anzeigen.