Die 7-jährige Kanimoli Yeyamohan geht im Primarschulhaus Waldegg in Horgen in die zweite Klasse. Mit der deutschen Sprache tut sie sich noch schwer, dafür spricht sie gut Englisch. Für die Klassenlehrerin Annatina Kindschi eine grosse Erleichterung: «Kanimoli ist ein Glücksfall. Sie ist sehr wissbegierig und lernt schnell. Die andern Kinder haben dank ihr bereits einige Brocken Englisch gelernt.»
Trotz diesem positiven Beispiel: Ein Flüchtlingskind in der Regelklasse ist für die Lehrerin eine grosse Zusatzaufgabe. Das Kind braucht in- und ausserhalb der Schule mehr Betreuung. Auch Elterngespräche sind wichtiger, denn meist verstehen Eltern eines Flüchtlingskindes Briefe aus der Schule nicht.
Integrationsklassen werden gestrichen
In grösseren Gemeinden und Städten gibt es darum Integrationsklassen. Vielerorts werden diese Kinder dann schrittweise in die Regelklasse integriert. Meist zuerst in nicht sprachintensiven Fächern wie Turnen, Singen und Zeichnen. Immer wieder fallen solche Spezialklassen aber dem Rotstift zum Opfer.
Ein völlig falsche Entwicklung findet Jürg Brühlmann vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz: «Jeder investierte Franken in die Bildung der Flüchtlingskinder zahlt sich aus. Denn nur so können sie später Tritt im Beruf finden. Sonst werden Flüchtlingskinder später zu Sozialfällen und das Sparen wird zum Bumerang.»
Von individualistischer Gesellschaft überfordert
Für viele Kinder ist nicht nur die Sprache ein grosses Hindernis, genauso schwierig ist der Umgang mit der westlichen Kultur. Eine Überforderung auch für die Lehrerinnen und Lehrer findet Fana Asefaw, Oberärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Littenheid. Sie ist selbst mit ihren Eltern in den 80er-Jahren aus Eritrea nach Deutschland geflüchtet.
«Diese Kinder sind autoritäre Strukturen gewohnt. In der Familie und auch in der Schule. Viele sind in unserer individualistischen Gesellschaft völlig überfordert.»
Sie bekomme viele Kinder aus Schulen zur ADHS-Abklärung und stelle dann fest, dass diese Flüchtlingskinder vom Krieg traumatisiert seien. Vor allem Kinder, die mit 12 Jahren alleine in die Schweiz geflüchtet seien.
Auch Psychiaterin Asefaw fordert mehr Unterstützung für die Schule, sei es durch Dolmetscher oder durch Personen, die kulturelle Hindernisse überwinden helfen.