Gas werde unterschätzt, klagt Martin Schmid, Bündner FDP-Ständerat und Präsident des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie VSG. «Gas könnte in diesem Spannungsfeld zwischen mehr erneuerbaren Energien und weniger CO2, das ausgestossen werden soll, eine wichtige Rolle spielen. Dies, weil Gas wirtschaftlich ist, aber im Gegensatz zu Heizöl deutlich weniger CO2 emittiert.»
Aber niemand spricht darüber.
Die Stadt Zürich zum Beispiel baut ihr Gasnetz zurück
Der Anteil von Gas am Gesamtenergieverbrauch stagniert indes seit Jahren bei etwa 13 Prozent. Während die Industrie zum Teil vermehrt auf Wärme aus Gas setzt, wachsen die Verkäufe von Erdgas-Autos nur minim. Und fürs Heizen wird Erdgas zunehmend ersetzt durch Erdsonden oder Fernwärme, beispielsweise aus Kehrrichtverbrennungsanlagen. Weil es nicht mehr rentiert, baut die Stadt Zürich etwa ihr Gasnetz in Zürich-Nord seit drei Jahren zurück.
Gas ist wirtschaftlich, emittiert aber im Gegensatz zu Heizöl deutlich weniger CO2.
Gas zu vernachlässigen, sei ein Fehler, sagt VSG-Präsident Schmid. Denn die Schweiz werde wohl früher als bisher angenommen froh sein um diesen Energieträger. «Das gilt umso mehr, als man jetzt sieht, dass die Wasserkraftwerke, die gebaut werden sollten, überhaupt nicht im Bau sind. Nach Fukushima hat die Politik der Wasserkraft einen wesentlichen Anteil zugehalten. Aber heute sieht man, dass nichts passiert, weil die Preise so tief sind, dass wir uns eher Sorgen darüber machen sollten, wie wir die Wasserkaft als ganze sicherstellen können.»
Kombinierte Anlagen, die Wärme und Strom produzieren
Schmid setzt dabei nicht auf rein auf die Stromproduktion ausgerichtete Gaskombikraftwerke wie sie noch vor ein paar Jahren als Ersatz für AKW im Gespräch waren. Ihm schweben viel mehr sogenannte Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen vor. Also kleinere und grössere Kraftwerke, die mit Gas gleichzeitig Wärme und Strom produzieren. Solche WKK könnten ganze Quartiere versorgen.
Schmid: «Zu den Wintermonaten generieren sie auch Wärme. Denn die Leute wollen ja eine geheizte Wohnung haben. Und gleichzeitig kann man mit diesen Anlagen auch Strom produzieren – zu einem deutlich tiefern CO2-Ausstoss, als wenn man heute eine Ölheizung hat. Deshalb glaube ich, dass das eine Technologie ist, die in der Schweiz gefördert werden sollte.»
Wenn die Schweiz bislang sehr gut ohne sie ausgekommen ist, wäre es ja geradezu absurd, wenn man jetzt auf fossile Kraftwerke setzen würde.
Bei der Verbrennung entsteht eben doch CO2
Erdgas sei zwar weniger klimaschädlich als Erdöl, räumt Elmar Grosse Ruse, Energie- und Klimaexperte beim WWF Schweiz ein. Aber bei der Verbrennung entstehe eben doch noch CO2. Der Anteil des CO2-neutralen Biogases sei nach wie vor gering in der Schweiz. Und das werde sich nicht ändern in naher Zukunft. Gas sei und bleibe ein fossiler Energieträger, betont Grosse Ruse. Deshalb wäre es völlig verfehlt, wenn die Schweiz jetzt vermehrt auf Erdgas setzen würde.
Der Klimaexperte: «Wenn die Schweiz bislang sehr gut ohne fossile Kraftwerke ausgekommen ist, wäre es ja geradezu absurd, wenn man jetzt – kurz nach Paris, wo sich die Schweiz mit der Weltgemeinschaft auf ambitionierte Klimaschutzziele verständigt hat – auf fossile Kraftwerke setzen würde.»
Für die Energiewende sei untrentable Wasserkraft nicht dramatisch
Zwar glaubt auch Klimaschützer Grosse Ruse, dass die Wasserkraft unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen nicht wie geplant ausgebaut wird. Nur macht ihm das keine Sorgen:
«Für das Gelingen der Energiewende ist es nicht so dramatisch, wenn die Wasserkraft derzeit nicht so rentabel ist. Wir können es mit Effizienz, also wirklich wirksamen Stromsparen, mit deutlich mehr Solarenergie und bei Bedarf auch mit Import von Strom aus Europa locker schaffen, die AKW zügig vom Netz zu nehmen.»
Wobei aus Klimasicht natürlich entscheidend wäre, dass dieser importierte Strom sauber ist. Die Zukunft der Erdgas-Branche scheint heute ebenso offen und umstritten, wie diejenige der gesamten Energiewirtschaft.