(Im Video wird der Satz: «Anlässlich des Welttages der Gebärdenspräche wird die Tagesschau heute auf SRF 1 gleichzeitig auch in Gebärdensprache ausgestrahlt.» von Karin Altwegg in Gebärdensprache gezeigt.)
SRF News Online: Andere lernen Französisch oder Italienisch. Sie haben sich der Gebärdensprache verschrieben. Warum?
Karin Altwegg: Ich wollte etwas mit den Händen machen und die Gebärdensprache wird durch die Hände aussagekräftig.
Gibt es auch in der Gebärdensprache den Unterschied zwischen Hochdeutsch und Schwiizerdütsch?
Es gibt die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS) im Unterschied zur deutschen Gebärdensprache (DGS), die in Deutschland gelehrt wird.
Die Dialekte in der Deutschschweiz kommen erschwerend hinzu. Wird dem Rechnung getragen?
Es gibt fünf Schulen für Gebärdensprache in der Deutschschweiz. In den Kantonen Basel, Bern, Zürich, Luzern und St. Gallen. Entsprechend haben sich die lokalen Dialekte in der DSGS gebildet. Auf den Lippen wird aber Hochdeutsch gesprochen. Für die Kinder wäre es zu schwierig den Dialekt vom Lehrer abzulesen, da sich dieser von Kanton zu Kanton ändert.
Die Worte werden also mitgesprochen...
Ja, denn das sogenannte Mundbild ist hierzulande noch stark vorhanden. Zum Beispiel im Vergleich zu den USA wird in der Schweiz mehr über die Lippen gesprochen. Im Gegensatz dazu wird in den USA mehr buchstabiert, anstatt dass man deutlich spricht.
Wie läuft die internationale Kommunikation?
Das geht sehr gut mit den Händen. Damit lässt sich schneller und einfacher kommunizieren. Das lässt sich an einem Beispiel für Nicht-Gehörlose gut demonstrieren. Wenn Du in ein fremdes Land kommst und die dortige Sprache nicht beherrschst, kommunizierst Du mit den Händen. Das klappt meist sehr gut.
Kann man in der Gebärdensprache lügen?
Natürlich. Lügen kann man in jeder Sprache. Die ganz guten Lügner sogar in der Körpersprache.
Wie streitet man in der Gebärdensprache?
Das läuft gleichermassen ab wie in der Lautsprache. Dort wird die Stimme beim Sprechen verstärkt. In der Gebärdensprache passiert das mit den Händen. Sie werden stärker einsetzt, durch festere Bewegungen. Die Mimik wird auch entsprechend eingesetzt. Wirklich unfreundlich beim Streit in der Gebärdensprache ist die Verweigerung des Blickes. Wird der Blick verweigert, findet keine Kommunikation mehr statt. Gehörlose Kinder machen das häufig.
Die Gebärdensprache ist für einen Nicht-Gehörlosen schwer nachzuvollziehen. Gibt es auch natürliche Gesten, die in der Gebärdensprache verwendet werden?
Es gibt Gebärden, die so sind, weil die natürlichen Gesten so sind. Deshalb sage ich auch oft Gebärdensprache ist eigentlich die natürlichere Sprache. Die gesprochene Sprache ist ein künstlich erschaffenes System. Der Tisch beispielsweise könnte auch ganz anders heissen. In der Gebärdensprache zeigen wir aber wie es aussieht. Wir zeigen also die Form. Visuell wird veranschaulicht, was sehr signifikant ist. Die Bewegung, die Ausführung hat demnach einen klar ersichtlichen Grund, warum sie so ist, anders eben zur gesprochenen Sprache.
Zum Welttag der Gebärdensprache wird die heutige «Tagesschau» auch für die Gehörlosen live moderiert. Werden die Nicht-Gehörlosen bei der medialen Berichterstattung ansonsten als Konsumenten ausreichend berücksichtigt?
Wir sind da auf einem guten Weg mit der Übersetzung von TV-Sendungen. Das ist für Gehörlose toll, die Nachrichten ebenso mitverfolgen zu können, wie Nicht-Gehörlose. Das dies live geschieht, ist besonders wichtig. Das ist eine grosse Wertschätzung für die Gehörlosen.
In einigen Ländern ist die Gebärdensprache sogar als offizielle Landessprache anerkannt. Wünschen Sie sich das auch in der Schweiz?
Ja, denn die Gehörlosen wollen auch Teil der Gesellschaft sein. Eine solche Entscheidung würde dabei natürlich helfen.