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Jill Biden an einem Rednerpult
Legende: Jill Biden setzt sich für die Berufsbildung ein – hier an einem Treffen für Führungskräfte der USA und Afrika. Keystone

Schweiz «Genau deshalb sind wir hier in der Schweiz»

Die Lehrlingsausbildung steckt in den USA noch in den Kinderschuhen. «Second Lady» Jill Biden, Ehefrau des US-Vizepräsidenten Joe Biden, besuchte den ersten internationalen Berufsbildungskongress in Winterthur. Im Interview zeigt sie sich vom Schweizer System begeistert.

In Winterthur ist am Dienstag hoher Besuch empfangen worden: Jill Biden, Ehefrau des demokratischen US-Vizepräsidenten Joe Biden, nahm am ersten internationalen Berufsbildungskongress teil. Biden ist Pädagogin und Lehrerin und macht sich seit Jahren für die Berufsbildung stark. Zudem ist sie die erste «Second Lady», die Vollzeit arbeitet.

SRF: Dr. Jill Biden, Sie haben soeben Lehrlinge der Bühler AG kennengelernt und erhielten eine Einführung in die Schweizer Berufsbildung. Was nehmen Sie mit nach Washington?

Dr. Jill Biden: Ich habe gerade beobachten können, wie das Lehrstellensystem hier bei der Bühler AG funktioniert. Sie stellen Schulabgänger jüngeren Alters an und bilden sie aus. Die Lehrlinge können aber gleichzeitig auch zur Schule gehen! Das heisst, sie werden sehr gut ausgebildet, sie gehen raus und finden Arbeit.

Einige internationale Delegationen haben kürzlich die Schweiz besucht, um unsere duale Berufsbildung kennenzulernen, sie sehen die Vorteile, etwa die Arbeitsmarktnähe, aber sie sehen auch, wie schwierig es ist, dieses Schweizer System zu kopieren. Glauben Sie, dass wenigstens Teile davon auf die USA übertragbar sind?

Wir hoffen das. Wir sind hier, um die Best Practices in der Schweiz anzuschauen, und zu sehen, welche Aspekte sich für unsere Berufsbildung eignen würde. Wir stellen uns eine breite Anwendung vor, in der Industrie, in der Bildung, im Gesundheitswesen, und dem Handwerk. Das kann in viele Richtungen gehen.

In seiner diesjährigen Rede zum Zustand der Nation erteilte Präsident Barak Obama Ihren Ehemann, dem Vize-Präsidenten der USA, das Mandat, die Berufsbildung grundlegend zu reformieren. Mehrere Milliarden Dollar wurden für die nächsten zwei Jahre für die Förderung von Lehrstellen gesprochen. Warum die Dringlichkeit?

Es geht um Jobs, nur darum. Wir versuchen Arbeitsstellen für die jungen Leute zu schaffen. Ob durch Trainings, Lehrstellen wie in der Schweiz, oder durch Berufsbildung an Community Colleges. Was auch immer zu tun ist, wir wollen, dass Amerikaner arbeiten können und angestellt werden.

Swiss Skills 2014

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Von A wie Automatiker bis Z wie Zimmermann – Bern steht vom 17. bis 21. September im Zeichen der Berufsbildung. An den Swiss Skills 2014 werden in 70 Berufen die Schweizer Meisterschaften durchgeführt. Mehr zum Schaulaufen der Berufe.

Ist Ihr Besuch Teil des offiziellen Mandats der Obama Administration?

Ja, das ist es. Sie haben mich angefragt, ob ich für sie Formen der Berufsbildung beobachten würde, da ich als Professorin an einem Community College unterrichte. Ich habe die USA bereist und habe zum Beispiel Partnerschaften zwischen Colleges und der Industrie untersucht, das ist nur eine Art, wie wir Arbeitsstellen für Leute schaffen können.

Sie kennen ja durchaus die duale Berufsbildung mit Theorie und Praxis in den USA, zum Beispiel an den Community Colleges. Das sind aber vor allem Weiterbildungsschulen. Welche Rolle könnten diese bei der Reform der amerikanischen Berufsbildung spielen?

Sie könnten das Fundament sein, quasi eine Basisausbildung liefern, so sehe ich das. Wenn die Studenten dann in der Industrie oder im Handwerkbetrieb angestellt sind, würden sie das präzise Fachwissen und die Technologie erlernen. Es geht um eine Partnerschaft.

Das Durchschnittsalter an Community Colleges ist 29. Glauben Sie nicht, dass Sie etwas früher anfangen sollten mit der Berufslehre?

Genau deshalb sind wir hier in der Schweiz und schauen uns Euer Programm und Eure Erfolgszahlen an. Ihr bildet ja die Lehrlinge viel früher aus. Und ja, Sie haben Recht, wir beginnen in den USA etwas zu spät mit der praktischen Berufsausbildung. Aber wir sind daran, das zu ändern.

Obamas Berufsbildungsreform ist nicht die erste ihrer Art. Verschiedene US-Regierungen haben seit 100 Jahren versucht, die Berufslehre zu fördern, aber die Unternehmen haben sich immer quer gestellt. Warum sind US-Arbeitgeber – und auch die Arbeitnehmer – so skeptisch gegenüber Lehrlingen?

Es gibt ein Umdenken. Das Produkt steht für die Unternehmen im Vordergrund, das Ergebnis. Sie sehen, dass mit Lehrstellen Fachkräfte ausbilden können, und die Auszubildenden sehen, dass sie mit einer Lehre Arbeit erhalten. Die Entwicklung ist positiv – und natürlich sind der Präsident und der Vize-Präsident vollen Herzens dabei – das ist das, was sie fördern.

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