Griechenland steckt tief in der Schuldenkrise und sucht dringend neue Geldquellen. Im Zentrum stehen dabei auch Schwarzgelder auf Schweizer Konten. Der griechische Finanzminister Varoufakis beklagt sich in einem Interview mit der «Rundschau», dass es jedoch kaum möglich sei, Informationen über Steuersünder von den Schweizer Behörden zu bekommen.
«Manchmal wissen wir, dass jemand Geld aus Griechenland weggebracht hat», sagt Varoufakis. «Aber dann wissen wir immer noch nicht, in welcher Stadt oder bei welcher Bank es sich in der Schweiz befindet.» Es sei nicht möglich, diese Informationen von den Schweizer Behörden zu bekommen: «Wir erfahren zu wenig, um das Schwarzgeld ausfindig zu machen.»
Schwarzgeld-Suche wie «archäologische Ausgrabung»
Das griechische Parlament befasst sich derzeit mit einem Entwurf, der den Steuerflüchtlingen eine Selbstanzeige anbietet. Für rund 22 Prozent Zinsen können sie ihr Vermögen offiziell anmelden und bleiben so straffrei. Der linke Flügel der regierenden Syriza-Partei findet, das sei zu wenig.
Varoufakis steht unter Druck der eigenen Parteifreunde. Gegenüber der «Rundschau» sagt er: «Wenn Sie die Steuern zu hoch ansetzen, klappt das nicht. Wenn Sie sie zu niedrig ansetzen, gibt es ein Problem mit der Gerechtigkeit. Es ist nie einfach, den Mittelweg zu finden.»
Die Schätzungen, wie viel griechisches Geld auf Schweizer Konten liegt, gehen weit auseinander. Fachleute gehen von bis zu 80 Milliarden Euro aus. Varoufakis sagt, er wolle über diese Zahl nicht spekulieren. «Es ist, als befände man sich bei einer archäologischen Ausgrabung. Bevor man gräbt, weiss man nicht, was man finden wird.»
Schweiz kontert Vorwürfe
Die Schweiz widerspricht dem Vorwurf Griechenlands, sie sei wenig kooperativ beim Aufspüren von Schwarzgeld. Im Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF heisst es, die Schweiz habe schon längere Zeit Vorschläge gemacht, wie Griechenland an unversteuertes Vermögen herankommt.
Kann die Schweiz Griechenland in der gegenwärtigen Krise entgegenkommen? SIF-Sprecher Mario Tuor: «Wir sind bereit, die bestehenden Gesetze besser auszunutzen. Dazu braucht es aber einen Schritt von Griechenland.»
«Steuerehrlichkeit schon fast skandalös»
Wenn Griechenland nicht in diesem Monat neue Finanzhilfen bekommt, droht der Staatsbankrott. Varoufakis warnt, ein Grexit hätte auch Auswirkungen auf die Schweiz: «Das letzte, was die Schweiz brauchen kann, ist eine zusätzliche Kapitalflucht. Ihrer Nationalbank würde das sicher nicht gefallen.»
Kritik übt Varoufakis auch am eigenen Steuersystem und bezeichnet es als «chronisch krank». Es versage derart, «dass es schon fast skandalös ist». Er nennt in diesem Zusammenhang die bekannten Inseln Santorini und Mykonos. Diese hätten letztes Jahr doppelt so viele Touristen gehabt, trotzdem sei die Mehrwertsteuer um 20 bis 30 Prozent gesunken.