SRF News: Auf was für Handyfilme sind Sie bei ihrer Arbeit gestossen?
Christian Ritter: Es gibt bestimmte Motive, die sehr oft vorkommen, beispielsweise Tiere. Es gibt aber auch ganz klassische Motive wie Sehenswürdigkeiten, die auf einer Urlaubsreise aufgenommen wurden. Das kann ein Wasserfall oder der blinkende Eiffel-Turm bei Nacht sein.
Zeigen die Jugendlichen ihre Filmchen herum und verschicken sie diese auch?
Es ist eher ein Mythos, dass Jugendliche ihre Filme permanent auf Facebook oder YouTube veröffentlichen und diese so um die Welt schicken. Die meisten Filme bleiben schlicht auf dem Handy. In der Regel wird eine gemeinsam erlebte Situation gefilmt und gleich im Anschluss angeschaut. Man lacht darüber und zeigt den Film vielleicht noch einen Tag später im Kollegenkreis herum – das war’s dann. Die Filme bleiben auf dem Gerät und werden meistens nicht verschickt oder auf den Computer überspielt. Man kann das mit Fotos, die man in einem Schuhkarton aufbewahrt, vergleichen. Die Filme dienen dazu, sich später wieder an bestimmte Erlebnisse zu erinnern.
Gab es Filme die Sie schockiert haben?
Das würde ich so nicht sagen. Man muss aber festhalten, dass die Jugendlichen uns Forschern die Filme freiwillig überlassen haben. Wir haben fast nur Filme bekommen, die relativ alltägliche Situationen darstellen. Es gab auch Filme, in denen Streiche gespielt werden. Diese führten vielleicht eine gewisse Form von Grenzverletzung mit sich.
Wenn pornografische Filme auf dem Handy geschaut werden, geschieht dies zu Unterhaltungszwecken.
Filme, in denen beispielsweise Gewalt vorkommt, hat man Ihnen also nicht gezeigt?
Wir haben keine Filme dieser Art bekommen. Wir haben aber sehr intensiv mit den Jugendlichen darüber gesprochen. Es gab für uns keine Hinweise darauf, dass bei unseren Befragten solche Filme eine Rolle spielen. Im Gegenteil: Gewaltfilme oder Pornografie scheinen verpönt zu sein. Leute, die solche Filme verschicken, werden eher von der Gruppe diskreditiert. Wenn pornografische Filme auf dem Handy geschaut werden, geschieht dies zu Unterhaltungszwecken. Beispielsweise sorgt eine besonders groteske sexuelle Situation für Erheiterung. Auf dem Handy wird aber nicht Pornografie geschaut, um sich daran sexuell zu erregen.
Das schlechte Image von schadenfreudigen Gewaltfilmchen können sie also nicht bestätigen?
Wir hatten diesen Eindruck bei unseren Forschungen nicht. Wir wissen aber auch, dass es diese Filme gibt. Wir wissen auch, dass diese Filme für die Opfer erhebliche Konsequenzen haben. Aus quantitativen Studien weiss man jedoch, dass die Zahl dieser Filme sehr klein ist. Dies steht im Missverhältnis zur allgemeinen Debatte über Handyfilme. Wenn in der Presse das Thema aufgegriffen wird, dann immer in Zusammenhang mit einem Skandal oder als Teil einer Warnung vor den Gefahren dieser Filme.
Das Gespräch führte Andrea Christen.