Ein kleines Döschen bringt den Tod: 15 Gramm Natrium-Pentobarbital (NaP) sorgen in der Regel für einen komatösen Schlaf, für Atem- und schliesslich Herzstillstand. Das Mittel gibt es nur gegen Rezept. Verschreiben dürfen es Ärzte gemäss den medizinisch-ethischen Richtlinien nur unter ganz bestimmten Bedingungen: Der Patient muss urteilsfähig sein, schwer krank und kurz vor dem Tod stehen.
Die Berner Apothekerin Caterina Riva ist vertraut mit dem Thema. Sie war auch schon bei Freitodbegleitungen dabei. Wenn ihre Apotheke das Sterbemedikament abgebe, laufe das immer gleich ab: Eine Vertreterin einer Sterbehilfe-Organisation melde sich mit einem Rezept bei ihr in der Apotheke. «Wir füllen die zwei Mal 15 Gramm ab und beschriften das Fläschchen», so Riva. Über jede die Apotheke verlassende Dosis werde ausserdem genau Buch geführt.
Verunsicherte Apotheker
Nicht alle Apotheker sind so routiniert bei der Abgabe des Sterbemedikaments: Immer wieder muss der Berner Kantonsapotheker Samuel Steiner Fragen von Ärzten und Apothekern im Zusammenhang mit Sterbehilfe beantworten. Soll man das Medikament abgeben? Und wie? Die Unsicherheit sei gross, so der Kantonsapotheker. Zwar handle es sich bei NaP um ein «normales Betäubungsmittel», das auf einem normalen Rezept verschrieben werden könne. Trotzdem: «Die Leute sind unsicher geworden», stellt Steiner fest.
Auf diese Unsicherheit hat die Kantonsapothekervereinigung nun reagiert: Erstmals hat sie schweizweit gültige Richtlinien für die Abgabe des Sterbemedikaments ausgearbeitet, wie Steiner bestätigt. Unsicherheiten entstünden vor allem dann, wenn schwerkranke Personen ohne die Hilfe einer Sterbehilfe-Organisation aus dem Leben scheiden möchten, sagt der Berner Kantonsapotheker, der selber im Vorstand der Apothekervereinigung sitzt. Es gebe durchaus Klärungsbedarf, betont er. So werde etwa die Meldepraxis «sehr lasch» gehandhabt.
Was geschieht mit der Reserve-Dosis?
Die Kantonsapotheker hätten deshalb keine Übersicht darüber, wie viel Natrium-Pentobarbital in der Schweiz genau im Umlauf sei. «Mit der Meldepflicht hätte man erstmals klare Angaben darüber, wie viel NaP für diesen Zweck verschrieben wird», so Steiner. Das Papier der Kantonsapothekervereinigung sieht denn auch eine Meldepflicht vor: Ärzte schicken dem Kantonsarzt stets eine Kopie des Rezepts, heisst es in den Richtlinien.
Die Kantonsapotheker wollen zudem eine weitere Unsicherheit aus der Welt schaffen: Häufig geben Apotheker eine zweite ärztlich verschriebene Dosis ab. Dies als Reserve, für den sehr seltenen Fall, dass eine Dosis allein nicht zum Tode des Sterbewilligen führen sollte.
Doch was mit der meist nicht verwendeten zweiten Dosen geschehen soll, sei vielen nicht klar, stellt der Berner Kantonsapotheker fest. Die Folge: Nicht verwendete und nicht entsorgte tödliche Dosen NaP tauchten zuweilen bei der Auflösung von Arztpraxen oder sogar Privathaushalten auf. Deshalb schreibt das von der Kantonsapothekervereinigung erarbeitete Papier jetzt vor, dass nicht verwendete Dosen entsorgt werden müssen.
Leitplanken statt Gesetz
Organisierte Sterbehilfe ist in der Schweiz nicht speziell gesetzlich geregelt. Der Bundesrat befand vor fünf Jahren, eine ausdrückliche Regelung sei nicht erforderlich. Die bestehenden Gesetze würden ausreichen. Mit ihren Richtlinien setzen sich die Kantonsapotheker nun selber gewisse Leitplanken in diesem Bereich.
Eine politische Position für oder gegen Sterbehilfe will die Kantonsapothekervereinigung mit ihrem Positionspapier übrigens explizit nicht beziehen. Ausserdem lassen die Kantonsapotheker in ihrem Papier Zweiflern bewusst eine Türe offen: Apotheker geben Natrium-Pentobarbital immer freiwillig ab, niemand kann dazu gezwungen werden.