Der 24-jährige Walliser nennt sich «Artiste Mal Pensant», frei übersetzt: dissidenter Künstler. Auf seinem Facebook-Profil postet er ein Foto, das zeigt, wie ein japanischer Nationalist einen sozialistischen Politiker ersticht.
Der Walliser lobt die «Opferbereitschaft» des Mörders und meint, er selbst gehe ja nicht soweit, er kämpfe nur mit seinen Zeichnungen. Beispielsweise mit dem Bild eines übergrossen Juden mit Hakennase, der Europa mit einer Spritze voller Migranten infiziert.
Letzte Woche wurde das Pseudonym von «Artiste Mal Pensant» gelüftet. Nun läuft gegen den Zeichner ein Strafverfahren.
Als Reaktion darauf erklärte Alain Soral, ein Exponent der neuen Rechten in Frankreich, auf dem Westschweizer Portal lapravda: Die Vorgänge erinnerten ihn an die Diktatur jüdischer Organisationen in Frankreich. Gestützt auf ihr internationales Kapital – so Soral – versuchten diese Gruppen ihre Vision vom auserwählten Volk durchzusetzen.
Politik durch Information
Ein junger, begabter Zeichner werde gelyncht, kritisiert auch Uli Windisch. Der emeritierte Genfer Soziologieprofessor betreibt mit lesObservateurs (dt. Die Beobachter) ein Newsportal im Web. Windisch hat Zeichnungen von «Artiste Mal Pensant» veröffentlicht – keine davon sei antisemitisch gewesen.
Die Seite von Windisch ist das Pendant zur Weltwoche in der Romandie. Finanziert von Tito Tettamantis «Medien-Holding», ist das Newsportal explizit politisch. «Ich bin ein fundamental Liberaler und ich bekämpfe die Linken, wenn sie lügen.» «Lügenpresse», lautet also der Vorwurf.
Wie dieser Kampf aussieht, zeigt ein Beitrag von Windisch über die angebliche Hexenjagd linker Medien. Unvermittelt kommt er dabei auf Schweizer Dschihadisten zu sprechen: «Viele sagen, wir seien im Krieg. Diese Individuen sind Verräter und was man im Krieg mit Verrätern macht, das ist bekannt.» Windisch spielt mit der Forderung nach der Todesstrafe.
Nebst solchen Kommentaren finden sich auf LesObservateurs übersetzte Weltwoche-Texte und Meinungsbeiträge von SVP-Politikern wie Christoph Blocher oder Oskar Freysinger. Ausserdem werden Texte von einem Dutzend Internetseiten übernommen. Darunter auch von extremistischen Seiten wie Riposte Laïque.
Kein Problem, meint Windisch: «Riposte Laïque sollte man beglückwünschen. Die Seite hat schon lange gezeigt, was der Islam und die Islamisten für eine Gefahr sind», sagt er. Daneben finden sich Beiträge etablierter Medien, wobei nur Informationen vorkommen, die die eigene Weltsicht bestätigen. Der Mix kommt an: «Heute kommen täglich zwischen 20‘000 und 50‘000 Leute auf meine Seite, das ist unglaublich», freut sich Windisch.
Zweifel am ganzen System
Das zweite einflussreiche Projekt in der Romandie heisst Antipress, ein wöchentlicher Newsletter. Er wird jeden Sonntagmorgen punkt sieben Uhr zugestellt. «Am Sonntag wird gezweifelt», lautet das Credo des Co-Herausgebers Slobodan Despot. Wobei Antipress nicht an Kleinigkeiten zweifelt, sondern am System.
Despot ist 48 jährig, ein Intellektueller, Schriftsteller sowie Verleger. In der breiteren Öffentlichkeit wurde er als persönlicher Mitarbeiter des SVP-Staatsrats Oskar Freysinger bekannt. Er selbst sei aber kein SVP-Mitglied, sagt Despot. Lieber bezeichnet er sich und seinen Mitherausgeber Jean-François Fournier als Anti-Modernisten. Die Moderne, das sei die Mechanisierung, die Verfügbarmachung des Menschen.
Antipress lässt sich politisch schwer verorten. Zumal auch linke Kritiker zu Wort kommen. Und Leute, die das Lager wechselten wie Lucien Cerise, der von Staatsterror redet und behauptet, Anschläge dienten dazu, dass die Bevölkerung nicht merke, dass wir längst in totalitären Staaten lebten. Darauf angesprochen erwidert Despot: «Präsident Obama unterzeichnet jeden Morgen Befehle zur Ermordung durch Drohnen, weltweit. Wenn das kein Terror ist, dann weiss ich nicht, was Terror ist.»
2000 Abonnenten zählt der Newsletter. Das ist beachtlich für ein Medium in der Startphase, das lange, schwer verdauliche Artikel serviert.
Salonfähige Radikale
Vor allem aber: Antipress und LesObservateurs sind zwar beide auf ihre Weise radikal, sie sind aber zugleich salonfähig, nahe der etablierten Macht. Damit funktionieren sie quasi als Transmissionsriemen, die Vorschläge vom Rand der Gesellschaft in die Mitte transportieren.