50 Verletzte, 61 Festgenommene und ein enormer Sachschaden: Das ist die vorläufige Bilanz der Protestaktion «Tanz dich frei», die in der Nacht auf Sonntag in der Berner Innenstadt stattfand. Es war eine Tanzparade, bei der sich die Organisatoren nicht zu erkennen gaben.
Der Verein Pro Nachtleben Bern setzt sich – wie die anonymen Organisatoren der Kundgebung «Tanz dich frei» – für ein lebendiges und offenes Nachtleben ein.
Vereinspräsident Thomas Berger war selbst als einer von rund 10'000 Teilnehmern an der Tanzdemo dabei. Gegenüber Radio SRF schildert er seine Sicht des Anlasses und wie solche Veranstaltungen in Zukunft mit einem gewissen Mass an Kooperation seitens der Organisatoren besser über die Bühne gehen könnten.
Radio SRF: Thomas Berger, Sie sind der Präsident des Vereins Pro Nachtleben Bern. Wieso ist dieses Jahr die Situation eskaliert, im Gegensatz zum Vorjahr?
Thomas Berger: Am Samstag formierte sich zu Beginn des Umzugs ziemlich schnell eine Gruppe, die offensichtlich gewaltbereit war, und die den Umzug dann auch anführte. Im letzten Jahr war diese Gruppe zweifelsohne auch vorhanden. Der Unterschied war aber, dass sie umgeben war von den fröhlichen Jugendlichen, und dass sie darum auf dem Bundesplatz ihre Masche nicht durchziehen konnte.
Müsste sich die Kulturszene nicht deutlicher abgrenzen von den gewaltbereiten Demonstranten, welche die Kundgebung offensichtlich missbraucht haben?
Ich habe selber miterlebt, wie auf diesen Soundmobilen teils wirklich sehr verantwortungsbewusste Menschen waren. Als man merkte, dass es an der Spitze des Zuges zu Eskalationen kommt, hat man die Musikwagen auf die vorgesehene Route umgeleitet. Man hat dafür gesorgt, dass möglichst wenige Menschen auf den Bundesplatz gelangten. Am Bahnhofplatz gab es Mobile, die umgehend die Musik eingestellt haben. Es gab sogar ein Mobil, das dazu aufrief, die Demonstration jetzt zu verlassen, damit es keine Massenpanik gibt. Ich hatte wirklich den Eindruck, dass die Personen auf den Mobilen ihre Verantwortung so weit wie möglich wahrnahmen und dazu beitrugen, dass eben doch der Grossteil der Personen sich friedlich von der Demonstration entfernen konnte.
Nun gibt es ja eine laufende Debatte ums Berner Nachtleben. Im letzten Jahr war «Tanz dich frei» ein Signal, um zu zeigen, die Jugend will mehr Freiheit, mehr Nachtleben in Bern. Hat das Ganze jetzt ins Gegenteil umgeschlagen?
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Wir haben in der Tat aktuell einen sehr guten Dialog mit der Stadt Bern, mit allen Organisationen, die irgendwie mit dem Nachtleben zu tun haben. Und wir hoffen schwer, dass dieser wirklich gute Dialog auch in den nächsten Tagen und Wochen weitergeführt werden kann. Ich persönlich fände es extrem schade, wenn man jetzt diesen wenigen Chaoten – es war ein absoluter Bruchteil der Teilnehmer der Demo – die Macht geben würde, zu bestimmen, über was in der Stadt debattiert wird und über was nicht.
Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause sagt, solche Anlässe dürfe es in Zukunft nicht mehr geben. Was sagen Sie dazu?
Was es sicher nicht mehr geben darf, ist ein Anlass, zu dem anonym aufgerufen wird, und bei dem absolut keine Kooperation zwischen den Organisatoren und den Behörden stattfindet im Vorfeld. Und doch finden wir, dass es Raum geben muss für solche Partys im öffentlichen Raum. Aber eben: Nur mit einer minimalen Absprache mit den Organisatoren, einem klar benannten Organisatoren, der auch erreichbar ist. Das sind die Mindestanforderungen für uns, die erfüllt werden müssen, damit solche Anlässe durchgeführt werden können.
Interview: Samuel Burri