Grau, trostlos, Bern. Es ist Mittag und der Schneeregen kitzelt eisig im Nacken. Drinnen brennt die Sonne wohltuend von riesigen Plakaten herunter und nährt den Traum von der perfekten Reise – optional auch Billigreisen mit pauschalem Meerzugang und Buffet à Discretion. Die Klientel der Ferienmesse trägt Silberhaar und säckeweise Hochglanzprospekte. Kein Wunder, muss man doch dafür zahlen, dass einem am Ende etwas verkauft wird.
Schweizer Reisende hoch empfindlich
Doch wohin zieht es Herrn und Frau Schweizer dieses Jahr? Anschläge, Kriege, Krisen – die Welt scheint nicht sicherer geworden zu sein. Stehen Tunesien, Ägypten oder die Türkei überhaupt noch auf dem Menüplan? Sozusagen gute Nacht, 1000 und eine Nacht?
Tunesien ist abgeschrieben.
Wie eine kurze Umfrage bei Tui Suisse, Helvetic Tours und ITS Coop Travel zeigt, reagiert der Schweizer Reisende sensibel auf geopolitische Erschütterungen. Die Reiseveranstalter – ebenfalls sensibel – haben bereits ihre Flugkapazitäten in die betreffenden Ländern reduziert.
Eine Mitarbeiterin von Tui Suisse gibt umunwunden zu: «Tunesien ist abgeschrieben.» Eine weitere Angestellte von Helvetic Tours bestätigt: Die Türkei ist ebenfalls nicht mehr gefragt. Und bei ITS Coop Travel wird zusätzlich klar: Nur eingefleischte Ägypten-Liebhaber wagen erneut eine Reise ins Land am Nil.
Entweder gehen wir in die Ferien nach Ägypten oder die Ägypter kommen zu uns.
Von der Unsicherheit der Schweizer Touristen kann dieses Jahr insbesondere Spanien profitieren. Kanaren oder Balearen lautet zumeist die Ausweichsdestination für ehemalige Türkei-Reisende, schreibt der Schweizer Reise-Verband zu den Reisetrends 2016. Doch auch Kroatien und natürlich Griechenland bleiben ein beliebtes Ziel. Flüchtlinge am Strand stören offensichtlich weniger als eine diffuse Terrorgefahr. «Wir müssen Griechenland unterstützen, damit das Land wieder auf die Beine kommt. Dann schafft es Griechenland auch mit den Flüchtlingen», erklärt ein pauschalreisendes Paar im mittleren Alter seine Wahl.
Wahl zwischen Ägypten-Reise und Migration?
Glaubt man Ahmed Amin, dem Leiter von Amin Travel, sollte man sich die Reise-Verweigerung im Falle von Ägypten allerdings zwei Mal überlegen. «Entweder gehen wir in die Ferien nach Ägypten oder die Ägypter kommen zu uns», stellt der ägyptisch-stämmige Reiseanbieter trocken fest. Wenn Amin vor 20 Millionen Ägyptern warnt, die von der Reiseindustrie abhängig sind und die Europa einrennen könnten, klingt das durchaus einleuchtend.
An der Messe müssen sich Reiseveranstalter generell mit Fragen nach der Sicherheit ihrer Angebote auseinandersetzen. Selbst Länder wie Oman oder die Vereinigten Arabischen Emirate geraten ins Schlaglicht. An einem Vortrag über diese beiden Reisedestinationen wird die Reiseveranstalterin nicht müde zu betonen, wie sicher diese Reiseziele seien. Vergeblich. «Sie, ich bin jetzt zehn Jahre hintereinander nach Dubai geflogen, aber dieses Jahr wird nichts daraus. Ich hätte kein gutes Gefühl dabei», meldet sich eine resolute Dame aus dem lückenhaft besetzten Auditorium.
Bittere Pille für Tunesien
Mittlerweile ist es Nachmittag geworden und auch jüngere Semester mischen sich unter die Messe-Besucher. Wie wäre es 2016 mit einer Tunesien-Reise? «Nein, nach den Silvester-Ereignissen ist mir die arabische Welt nicht gerade sypathisch», lautet schon fast die Standardantwort von Frauen Mitte zwanzig.
2015 war bisher das schlechteste Tourismus-Jahr überhaupt.
Ein herber Schlag für die bereits arg gebeutelte tunesische Tourismusbranche. Tunesien bemüht sich mit einem eigenen Stand an der Ferienmesse um das Publikum. «2015 war bisher das schlechteste Tourismus-Jahr überhaupt», bilanziert der Direktor des tunesischen Fremdenverkehrsbüros, Boudeir Bouraoui.
Ein Jahr davor besuchten 50'000 Schweizer das Maghreb-Land, letztes Jahr waren es nur noch fast halb so viele. Und 2016? Bouraoui gibt sich mit wenig zufrieden. Er rechnet mit etwa 3000 bis 4000 zusätzlichen Reisenden aus der Schweiz, denn «Schweizer verhalten sich sehr solidarisch.»
Die arabische Gastfreundlichkeit bleibt am Tunesien-Stand nicht nur sprichwörtlich. Mit Kaffee, Tee und Datteln verführt ein Mitarbeiter interessierte Besucher zum Verweilen. Die Terrorgefahr sei nicht nur auf Tunesien beschränkt, beruhigt er, sie sei überall. Am Ende seien die Medien mit ihrer negativen Berichterstattung schuld daran, dass die Touristen ausbleiben.