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Schweiz Kirschessigfliege bereitet Obstbauern schlaflose Nächte

Sie legt über 300 Eier in eine reife Frucht und vermehrt sich so rasant, wie kaum ein anderer Schädling: die Kirschessigfliege – Drosophila suzukii. Kirschen, Pflaumen oder Trauben aus der ganzen Schweiz sind befallen. Wirksame Mittel gegen den neuen Schädling gibt es kaum.

Idyllisch liegt der städtische Rebberg über Schaffhausen ob dem Rhein. Ein Weingebiet mit Rebsorten wie Riesling, Blauburgunder oder Cabernet Dorsa. Die Idylle aber trügt. Die gesamte Weinrebenernte ist bedroht.

Rebmeister Martin Graf – verantwortlich für den Rebbaubetrieb der Stadt Schaffhausen – hat kurzfristig ein Team zusammengestellt. In einer Noternte versucht der Rebmeister nun zu retten, was noch zu retten ist. Doch viele der Trauben sind voller Flügellarven. Die Kirschessigfliege hat bereits drei Viertel der Ernte zerstört.

Ganze Schweiz ist betroffen

Solche Meldungen kommen derzeit aus der ganzen Schweiz. Fast flächendeckend hat sich die Kirschessigfliege verbreitet und richtet drei Jahre nach ihrem ersten Auftauchen in der Schweiz grossen wirtschaftlichen Schaden an.

Der neue Schädling befällt Weichobstarten wie Beeren, Kirschen, Zwetschgen oder jetzt eben Trauben. Bis zu 400 Eier legen die Weibchen in die gesunden, reifen Früchte und machen sie sauer. Dies führt zu einer explosionsartigen Vermehrung. Der effektive Schaden könne erst im Winter beziffert werden, sagen Insektenspezialisten von Agroscope. Ausserdem sei der Befall von Region zu Region und von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich.

Die Fliege wurde 2008 aus Japan nach Europa eingeschleppt. Sie ist keine Unbekannte. Doch das Ausmass des Schadens in diesem Jahr überrascht. Wegen dem milden Winter und dem feuchten Sommer konnte sich der Schädling schnell vermehren und ausbreiten.

Invasion der Schädlinge

Noch keine Strategie

Etablierte Strategien, um den neuen Schädling zu bekämpfen, gibt es noch kaum. Von Köderfallen mit Lockflüssigkeiten und Baumnetzen ist die Rede. Auch von Insektiziden, denn eine gute Pflege und Durchlüftung der Trauben reiche dieses Jahr nicht aus, sagt Markus Leumann. Es gebe schlicht zu viele Insekten.

Deshalb hat der Leiter des Amts für Landwirtschaft im Kanton Schaffhausen einen Krisenstab einberufen. Akteure aus der Forschung, Verantwortliche von Pflanzenschutzfirmen und Vertreter aus Kantonen wie St. Gallen oder dem Aargau sind zusammengekommen, um die Situation zu analysieren und neue Strategien festzulegen.

Unter anderem fordern sie die Zulassung von weiteren Pflanzenschutz-Mitteln. «Die Mittel seien innerhalb kurzer Zeit zerfallen und lassen sich im Wein nicht mehr nachweisen», sagt Markus Leumann. Ausserdem ruft der Rebbaukommissär der Kantone Schaffhausen und Thurgau die Winzer dazu auf, ihre Reben sukzessive zu kontrollieren. Das Ausmass des Befalls sei dramatisch. Niemand hätte das vorher abschätzen können, so Leumann.

Mittel im Kampf gegen die Kirschessigfliege

Die Zeit drängt auch im schaffhausischen Hallau, nördlich des Rheins. Seit 30 Jahren pflegt und bewirtschaftet Christian Roth die Hallauer Rebberge. «Die Kirschessigfliegen bringen Probleme mit sich, wie sie die Weinbauern bis anhin nicht kannten», sagt Christian Roth. 10 Prozent seiner Trauben seien bereits zerstört. Deshalb greift der Winzer zu aussergewöhnlichen Massnahmen.

Zwei Wochen vor der Ernte bespritzt er die Reben mit Insektiziden. Damit, so hofft der Hallauer, könne er einen grossen Teil der Ernte noch retten. Zugelassene Pflanzenschutzmittel sind mittlerweile aber europaweit ausverkauft. Deshalb sollen Fallen mit flüssigem Lockstoff die Kirschessigfliege anziehen und von den Trauben fernhalten. Ob diese Methode langfristig funktionieren, wissen die Insektenspezialisten noch nicht.

Die Kirschessigfliege stellt die Branche vor grosse Herausforderungen. In Zukunft müsse man lernen mit dem Insekt zu leben, heisst es weithin. Dessen sind sich auch die Weinbauern aus dem Kanton Schaffhausen bewusst.

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