Was kann oder soll zusätzlich getan werden, damit weniger Menschen über Konsumkredite leichtsinnig in die Schuldenfalle geraten und letztendlich die Öffentlichkeit belasten?
Der Nationalrat hat sich heute mit 123 zu 58 Stimmen bei drei Enthaltungen weitgehend für den Kompromiss seiner Kommission entschieden. Der Kleinkredit-Branche wird damit gesetzlich verboten, aggressive Werbung zu machen. Näher wollte der Rat den Rahmen aber nicht definieren. Ein explizites Verbot von Werbung, die «speziell Jugendliche und junge Erwachsene» anspricht, ist nicht enthalten.
Express-Kredite fallen nicht darunter
Ebenso verzichtet der Rat darauf, die so genannten Express-Kredite unter die neue Regelung zu stellen. Justizministerin Simonetta Sommaruga appellierte vergeblich, diese Gesetzeslücke zu beseitigen, die heute ganz bewusst ausgenützt werde. Denn gerade solche Kredite würden oft unüberlegt abgeschlossen, ohne Kreditfähigkeitsprüfung. Gemäss Vorschlag des Bundesrats sollten nur noch jene Kreditverträge vom Gesetz ausgenommen sein, die eine Rückzahlung innert höchstens drei Monaten vorsehen.
Stimmt auch der Ständerat der Lösung zu, muss die Branche in einer Konvention umschreiben, was alles unter «aggressive Werbung» fallen soll. Falls keine Einigung möglich ist, wird der Bundesrat die Kriterien festlegen. Für Verstösse sind Bussen von bis zu 100‘000 Franken vorgesehen.
FDP und SVP: Nein im Namen der Freiheit
Die Anpassung des Konsumkredit-Gesetzes wurde vor allem von FDP und SVP in Frage gestellt, die gar nicht auf die Vorlage eintreten wollten: Das geltende Gesetz reiche aus, die Branche habe bereits eine entsprechende Konvention vorgelegt, betonte Hansjörg Walter (SVP/TG).
Einen unnötigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit konstatierte auch Andrea Caroni (FDP/AR). Die Werbung kenne bereits äusserst scharfe Regeln im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb und zudem ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Das Verschuldungsrisiko der 18-bis 24-Jährigen liege statistisch bei vier Prozent, verglichen mit neun Prozent bei den älteren Erwachsenen. «Ich sehe kein Jugendproblem, das meiste Geld schulden die Kinder den Eltern», merkte er an.
Befürworter: Prekäre Lage vieler Haushalte
Für die Regulierung sprachen sich CVP, BDP, Grünliberale sowie SP und Grüne aus. «Wir leben in einer verlockenden Konsumwelt», stellte Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) fest. «Reicht's für einen Flat-TV und ein Himmelbett?», frage ein Kreditunternehmen auf einem Werbeplakat. Die Antwort: Mit einem Kredit gebe es für alles eine Lösung.
Ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung lebe mit Schulden, gab die Konsumentenschützerin zu bedenken. Konsumkredite spielten dabei eine grosse Rolle. Das Gesetz sei eine Light-Version, es beinhalte kein generelles Verbot.
Nach den Worten von Hansjörg Hassler (BDP/GR) hat das Ausmass der Verschuldung eine kritische Grenze erreicht. Natürlich könne man immer an die Eigenverantwortung appellieren. Es sei aber auch Aufgabe der Politik, Missstände zu bekämpfen.
Thomas Maier (GLP/ZH) betonte, dem Rat liege eine «echt liberale Lösung» vor, statt des ursprünglich geplanten radikalen Verbots. Umso unverständlicher sei es, dass die liberalen Partner diesen Königsweg nicht beschreiten wollten.
Sommaruga: «Aggressive Werbung ist unlauteres Verhalten»
Die Überschuldung set in der Schweiz weiterhin ein ernstes Problem, obwohl der Schutz bereits 2001 mit dem revidierten Konsumkreditgesetz verstärkt worden sei, erklärte Justizministerin Sommaruga. Weitere Massnahmen auch im Bereich Werbung seien deshalb nötig: «Auch aggressive Werbung ist nichts anders als unlauteres Verhalten.» Das geplante beschränkte Verbot sei verhältnismässig und sachgerecht.
Die Vorlage geht auf eine parlamentarische Initiative von Josiane Aubert (SP/VD) zurück, die heute ihren letzten Tag im Rat bestritt. Sie hatte ursprünglich ein generelles Werbeverbot für Kleinkredite verlangt.