Ein Kompromiss zwischen der EU und der Schweiz für ein Rahmenabkommen nach der Zuwanderungsinitiative scheint möglich. Die EU-Unterhändler akezptierten den Schweizer Vorschlag, die Personenfreizügigkeit auf Kroatien ohne Unterzeichnung des Zusatzprotokolls anzuwenden.
Der Kompromiss sieht vor, dass die Schweiz den Kroaten provisorisch gewisse Kontingente gewährt. Falls dieser zustande kommt, könnte die Schweiz wohl auch wieder bei den Forschungs- und Bildungsprogrammen der EU mitmachen.
«Wir haben eine provisorische Vereinbarung», sagte ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur SDA in Brüssel.
«Der Kompromiss ist relativ konkret und man ist nahe dran», berichtet SRF-Korrespondent Jonas Projer in der «Tagesschau». Projer sprach mit mehreren Diplomaten. Es handle sich allerdings um einen vorläufigen Entscheid. Dieser sei ein Signal, dass nun wieder über die Beziehungen zur Schweiz und die Zukunft der Bilateralen Verträge gesprochen werde.
«Zwar sind damit die grossen Probleme mit der Personenfreizügigkeit und der Masseneinwanderungsinitiative noch nicht gelöst, aber man wird wohl in den nächsten drei Jahren wieder besser miteinander verhandeln können», erklärt Projer.
Noch vor zwei Wochen hatten mehrere Länder Bedenken geäussert. Unter anderem fürchtete Frankreich um die Rechte seiner Grenzgänger und der bereits in der Schweiz lebenden Franzosen. Die Bedenken hätten nun ausgeräumt werden können, sagte der EU-Diplomat. Grossbritannien hatte seinerseits darauf beharrt, das Dossier seinem zuständigen Minister zu unterbreiten, bevor es seine Zustimmung geben wird.
Dossier am Mittwoch auf Botschafter-Agenda
Bereits am Mittwoch steht das Schweizer-Dossier als so genannter A-Punkt auf der Agenda der nächst höheren Instanz, dem Botschafter-Ausschuss (Coreper). A-Punkte werden nicht mehr diskutiert, sondern nur noch durchgewinkt.
Damit das Dossier jedoch als A-Punkt durchgehen könne, brauche es eine Bestätigung der Schweiz, dass sie sich an ihr Versprechen gegenüber Kroatien halten werde, hiess es in Brüssel. Am Mittwoch findet die Bundesratssitzung statt. Es ist möglich, dass dieser eine entsprechende Geste in Richtung Brüssel machen wird.
EU-Verhandlungsmandat für Rahmenabkommen
Das Schweizer Dossier besteht aus dem EU-Verhandlungsmandat für ein Rahmenabkommen zur Lösung der «institutionellen Frage» sowie einer äusserst vertraulich behandelten Erklärung.
Gemäss einem EU-Diplomaten geht es in dieser von der griechischen Präsidentschaft lancierten Erklärung darum, dem Versprechen der Schweiz an Kroatien Verbindlichkeit zu verleihen. Ausserdem soll darin die Unantastbarkeit der Personenfreizügigkeit sowie das Prinzip der Gleichbehandlung aller EU-Mitgliedstaaten bekräftigt werden.
Winken am Mittwoch die Botschafter die ausgehandelte provisorische Vereinbarung durch, braucht es als letztes noch die Zustimmung der Minister der 28 EU-Staaten.
Mehrere Dossiers hängen an Kroatien-Frage
Damit würden mehrere Dossiers wenigstens teilweise deblockiert. Denn an der Kroatien-Frage hängen das Forschungsabkommen «Horizon 2020» und das Studentenaustauschprogramm «Erasmus+».
Nach der Annahme der SVP-Zuwanderungs-Initiative hatte die EU-Kommission die Verhandlungen zu den beiden Abkommen auf Eis gelegt, weil für sie diese mit der Personenfreizügigkeit verknüpft sind. So hat die Schweiz bei «Horizon 2020» heute nur noch den Status eines Drittstaates. Forschende sind somit von den prestigeträchtigen Einzelprojekten ausgeschlossen.
Um diese Blockade zu entschärfen, verlangte die Schweiz als Gegenleistung für die Anwendung der Freizügigkeit auf Kroatien von der EU, dass diese ihre starre Haltung bei «Horizon 2020» und «Erasmus+» aufgibt.
In ihrer Erklärung zeigen sich nun die EU-Staaten bereit, der Schweiz eine Teilnahme an den beiden Programmen zu ermöglichen. Wie genau diese Teilnahme aussehen wird, ist jedoch zurzeit nicht klar.
- Doch kein Kompromiss mit der EU? Doch kein Kompromiss mit der EU?
- Studieren im Ausland – der Bundesrat macht's weiter möglich Studieren im Ausland – der Bundesrat macht's weiter möglich
- «In der EU haben einige unsere Demokratie nicht verstanden» «In der EU haben einige unsere Demokratie nicht verstanden»
- Universitäten greifen in die Politik ein Universitäten greifen in die Politik ein
Stromabkommen
Ist das EU-Mandat zum Rahmenabkommen erst einmal durch die Minister verabschiedet, können auch die auf Eis gelegten Verhandlungen zum Stromabkommen weiter geführt werden. Denn seit Verhandlungsbeginn hatte sich die EU auf den Standpunkt gestellt: ohne Rahmenabkommen kein Stromabkommen.
Mit dem Rahmenabkommen will die EU einen gemeinsamen Mechanismus zur Übernahme von EU-Recht und zur Streitbeilegung einführen. Ohne diesen Mechanismus will sie der Schweiz keinen weiteren Marktzugang gewähren.