Noch ist nichts bewiesen, doch der von «Tagesanzeiger» und «Bund» aufgedeckte Verdacht gegen einen Kadermann im Bereich Arbeitslosenversicherung im Seco wiegt schwer: VIP-Tickets für die Fussball-Weltmeisterschaft, Luxus-Saisonkarten für Heimspiele der Berner Young Boys und vielleicht auch Bargeld soll er angenommen haben – von zwei Chefs einer Informatik-Firma.
Im Gegenzug schanzte er ihnen angeblich über Jahre hinweg überteuerte Aufträge zu. Stunden-Abrechnungen sollen frisiert, Rabatte nicht weitergeben worden sein. Mutmassliche Bestechung. Die Zeche zahlen die Steuerzahler.
Inzwischen hat das Seco Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Denn nach einer Administrativuntersuchung kann das Seco eine strafrechtliche Relevanz nicht mehr ausschliessen. Der Mitarbeiter, an den die Vorwürfe gerichtet sind, ist vorübergehend freigestellt worden.
Kritik der Finanzkontrolle: Ämter handeln nur auf Druck
«Ich finde das sehr schockierend», sagt der Chef der Finanzkontrolle beim Bund, Michel Huissoud, gegenüber SRF. Es gebe offenbar einen deliktischen Willen und Abmachungen zwischen Lieferant und Auftraggeber.
Huissoud und seine Leute gehen seit Jahren Mauscheleien und Bestechungsfällen in der Bundesverwaltung nach. Sehr häufig geht es um Informatik-Projekte. Der Finanzkontrolleur findet dazu harte Worte: Zum einen funktioniere der Wettbewerb nicht. Zum anderen fehle in den Direktionen der Bundesämter der Wille zur Besserung: «Veränderungen kommen immer nur unter Druck zustande.»
Huissoud fordert Strafuntersuchung
Unter Druck steht nun das Wirtschaftsdepartement als Arbeitgeber des verdächtigen Kadermanns. Aufgeschreckt durch die Zeitungsrecherchen hat Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann reagiert. Es sei unverzüglich nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine Administrativuntersuchung angeordnet worden, sagt sein Sprecher Ruedi Christen. Das Departement stehe auch in Kontakt mit der Bundesanwaltschaft.
Weitere Fälle hängig
Der aktuelle Fall reiht sich ein in eine ganze Serie von teuren Informatik-Skandalen beim Bund. Ein Informatik-Flop bei der Steuerverwaltung zum Beispiel kostete über 100 Millionen Franken – bei einem anderen Projekt des Bundesamts für Umwelt soll eine Informatik-Firma einen Bundesangestellten bestochen haben. In beiden Fällen ermittelt die Bundesanwaltschaft.
Deklaration ab 50'000 Franken?
Was tun gegen den Korruptionssumpf, gegen die Intransparenz bei den Aufträgen an Private? Huissoud fordert neue Regeln: Die Ämter sollten künftig alle Auftragnehmer und Firmennamen samt Inhalt der Aufträge publizieren müssen. Und zwar nicht erst ab einem Auftragswert von 250‘000 Franken gemäss heutigem Beschaffungsrecht, sondern ab einer Summe von 50‘000 Franken.
Es geht um viel Geld. Ein Beispiel: Allein für private Beraterinnen und Berater zahlte die Bundesverwaltung im vorletzten Jahr über 200 Millionen Franken – ohne diese Aufträge öffentlich auszuschreiben.
Licht ins Dunkel
Eine solche Liste würde nach den Worten von Huissoud einiges ans Tageslicht bringen: «Es wäre klar für alle, dass gewisse Firmen seit Jahren immer wieder mit den gleichen Bundesämtern zusammenarbeiten.»
Der Bundesrat will frühestens nach den Sommerferien Vorschläge für neue Regeln bei heiklen Aufträgen aus der Bundesverwaltung machen. Der Druck steigt und steigt.
brut;meid;galc