Am letzten Freitag waren die Blicke auf das Bundesgericht in Lausanne gerichtet. Dort entschieden die höchsten Richter, dass muslimischen Schülerinnen das Tragen des Kopftuchs im Unterricht nicht verboten werden darf. Ein jahrelanger Streit, der an einer St. Galler Schule seinen Anfang genommen hatte, wurde damit beigelegt.
Doch die Frage, ob religiöse Symbolik in öffentlichen Institutionen zulässig ist, wird die Gemüter weiter erhitzen. Und ebenso werden jene Stimmen nicht verstummen, die die Schweizer Identität durch «fremde religiöse Symbole» gefährdet sehen.
«Wir sind stolze Schweizer»
Ein Faible für identitätsstiftende Symbolik scheint auch eine Gruppe Sekundarschüler im zürcherischen Gossau zu haben. Just am Tag des langerwarteten Kopftuch-Urteils erschienen sie mit gemeinsamem Dresscode zum Unterricht: Allesamt trugen sie blau-weisse Edelweisshemden.
Was zunächst zum Schmunzeln anregt, hat einen durchaus ernsten Hintergrund. Seit längerem soll es an der Schule zu Spannungen zwischen Schweizer und balkanstämmigen Schülern geben. Die Hemdenträger gaben unumwunden zu, zeigen zu wollen, dass sie «stolze Schweizer» seien.
Eine Lehrerin wollte das «rassistisch» motivierte Statement nicht dulden – und verbot drei Sekundarschülern die Hemden. Die Schweiz war um ein skurriles Kleiderverbot reicher – das «Edelweisshemd-Verbot».
Die Schulleitung distanzierte sich in einem Communiqué vom eigenmächtigen Handeln der Lehrerin. In der «SonntagsZeitung», die den Fall publik machte, sprach Schulleiter Patrick Perenzin von einer «Überreaktion».
Deeskalierende Massnahme?
Doch der Fall zieht weiter Kreise: Neben der Verhältnismässigkeit des Verbots wird diskutiert, wie es um den Frieden auf Schweizer Schulhöfen steht. Jürg Brühlmann, der Chef-Pädagoge des Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, erachtet die Schwingerfraktion «auf den ersten Blick für unproblematisch.» Immer schon hätten Schüler mit Frisuren oder Kleidung ihrer Anschauung Ausdruck verliehen.
Doch Brühlmann differenziert: «Wenn 13, vielleicht muskelbepackte Jugendliche auf dem Schulhof stehen, ist die Situation wohl nah am Eskalieren.» Dass eine Lehrperson dann interveniere, sei verständlich: «Wenn zwei Gruppen gegeneinander stehen, muss man das auffangen.»
«Früher wurde viel mehr geprügelt»
Kulturkampf auf dem Pausenplatz also, und damit jenseits des Erlaubten? «Als Lehrperson ist man sicher erschreckt, wenn man so etwas sieht», sagt Brühlmann. Für sie gehe es in einem solchen Fall um Deeskalation, «da kann es vorkommen, dass man überreagiert.»
Mittlerweile habe die Schule aber massvoll reagiert, führe Gespräche und habe das Thema in den Klassen aufgenommen. Dialog ist für den Pädagogen unabdingbar, um den sprichwörtlichen Zusammenprall der Kulturen an Schulen zu verhindern.
Abschliessend greift der Schweizer «Chefpädagoge» selbst zu einer deeskalierenden Massnahme. Er plädiert für Augenmass: «Es gibt keinen Trend zu mehr Gewalt. Derartige Probleme gab es auch in den 90er-Jahren, als bosnische Jugendliche aus Kriegsgebieten kamen; noch früher verprügelten in Bergregionen Schüler aus dem Tal diejenigen aus den Höhen.» Heute gebe es, schliesst Brühlmann, weniger offene Gewalt: «Früher wurde viel mehr geprügelt.»