Der Bundesrat erhält im Sprachenstreit Unterstützung von prominenter Seite. Die Lehrerverbände sprechen sich dafür aus, die Kantone zu Französisch in der Primarschule zu verpflichten. Bei der Ausgestaltung sollen die Kantone aber möglichst viel Spielraum erhalten.
Diese Kompromisslösung könnte eine Brücke zwischen den beiden Lagern schlagen, schreiben der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) und der Westschweizer Lehrerverband Syndicat des enseignants romands (SER) in einer gemeinsamen Mitteilung.
Thurgau befeuert Sprachenstreit
Der Sprachenstreit schwelt bereits seit längerem. Angeheizt wurde er zuletzt durch den Kanton Thurgau: Die Regierung schickte im Frühling den neuen Lehrplan der Volksschule in die Vernehmlassung. Dieser sieht keinen Französischunterricht in der Primarschule mehr vor.
Im Juli griff dann der Bundesrat in der Frage ein. Er will im Sprachengesetz verankern, dass der Unterricht in der zweiten Landessprache bereits in der Primarschule beginnen soll. Der Bundesrat würde es vorziehen, nicht einschreiten zu müssen, gestand Innenminister Alain Berset damals ein. Die Bundesverfassung verpflichte ihn aber dazu, wenn die Kantonslösung nicht zustande komme.
Hohe Zusatzkosten befürchtet
Die Lehrerverbände stärken dem Bundesrat in dieser Frage nun den Rücken. Nur noch eine Landessprache auf der Primarstufe zu unterrichten, erachten sie als nicht zielführend. Die laufenden politischen Vorstösse in einzelnen Kantonen könnten beim Unterrichtsstart in den Landessprachen zu Differenzen von bis zu vier Schuljahren führen. Die Verbände schätzen die Kosten für den Nachholunterricht, falls Kinder in einen anderen Kantonen ziehen, auf bis zu neun Millionen Franken.
Von den drei vorgeschlagenen Varianten des Bundesrates sprechen sich die Lehrerverbände für diejenige aus, die den Kantonen am meisten Spielraum lässt. Diese legt lediglich fest, dass der Unterricht in der zweiten Landessprache auf Primarschule beginnen und bis zum Ende der Sekundarstufe l dauern muss. Dies würde auch den Lehrpersonen bei der Umsetzung in der Praxis entgegenkommen, heisst es weiter.
Angst vor «nationaler Zerreissprobe»
Das ist auch der Vorschlag, den der Bundesrat bevorzugt. Ob diese Variante auch die Kantone überzeugt, ist unklar. Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hatte sich in einer ersten Stellungnahme skeptisch über eine Bundesregelung gezeigt. Eine Intervention berge erhebliche Risiken. Eine nationale Volksabstimmung könnte zu einer «nationalen Zerreissprobe» werden, warnte die EDK.
Berset sagte damals dazu, der Bundesrat «unterstütze» die Kantone mit seinem Vorgehen. Er hoffe nach wie vor, dass eine Gesetzesänderung nicht nötig sein werde. Die Diskussion über die Varianten sei ein klares Signal an die Kantone: «Ihr habt noch die Möglichkeit umzusetzen, was ihr beschlossen habt.»
In Zürich, Luzern und St. Gallen Initiativen hängig
Berset spricht dabei Variante 2 an, welche die Lösung des Harmos-Konkordats auf Gesetzesstufe verankert. Danach müsste die erste Fremdsprache spätestens ab dem 3. Schuljahr und die zweite ab dem 5. Schuljahr unterrichtet werden. Eine der beiden Sprachen ist eine Landessprache, die andere ist Englisch.
Darauf hatten sich die Kantone bereits 2004 geeinigt. Zehn Jahre später bestätigten sie den Entscheid. Nun ziehen aber mehrere Kantone in Betracht, das Frühfranzösisch zu kippen. Abgesehen von Thurgau sind auch in den Kantonen Zürich, Luzern und St. Gallen entsprechende Initiativen hängig.
Im Kanton Graubünden wird über die Gültigkeit einer Initiative gestritten, der Fall liegt beim Bundesgericht. Der Kanton Glarus wiederum hat beschlossen, Französisch in der Real- und Oberschule nur als Wahlfach anzubieten. Vor allem in der Westschweiz ist die Empörung über diese Entwicklungen gross.