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Schweiz Lobbying – ohne Informationen geht es nicht

Rund 300 Lobbyisten sind während einer Session im Bundeshaus unterwegs. Ihr Ruf in der Öffentlichkeit ist schlecht – viel schlechter als im Bundeshaus selber.

E-Power hat eingeladen. Die IT- und Telecom-Vereinigung begrüsst einmal pro Session möglichst viele der 246 Parlamentarier und sonstige Interessierte zu einer Diskussion rund um die Themen IT und Telecom. Nach Apéro und Vorspeise gibt es zwei Kurzvorträge, anschliessend an den Hauptgang folgt eine Podiumsdiskussion.

Dieses Mal dreht sich alles um die so genannten «Open Governement Datas» – also um Regierungsdaten im Internet, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und die für verschiedene Anwendungen wie beispielsweise Smartphone-Apps genutzt werden könnten. Das Thema lockt Vertreter des Bundesamts für Energie, der Swisscom, der FMH, des Bundesamts für Gesundheit, des Staatssekretariats für Wirtschaft und eben auch 8 Parlamentarier ins Casino in Bern.

Ein Informationsschreiben der E-Power.
Legende: Wie offen sollen öffentliche Daten sein? Ein Lobbyinganlass, der informieren will. SF

Ein Lobbyinganlass. Aber nicht im klassischen Sinn. «Wir haben keine spezifischen Ziele bei solchen Sessionsanlässen», sagt E-Power-Geschäftsführer Andreas Hugi. «Wir wollen lediglich aufzeigen, dass viele Politikfelder verknüpft sind mit Themen wie IT und Telekommunikation.» Sollen die Parlamentarier überzeugt werden von einer Idee, würde man sie vielmehr zu Einzelgesprächen treffen, etwa zu einem Mittagessen.

Zu den Anlässen, die seit 5 Jahren stattfinden, werden immer alle 246 Parlamentarier eingeladen. «Wenn 6 bis 8 kommen, sind wir zufrieden», so Andreas Hugi.

«Wir brauchen die Informationen»

Rund 150 Einladungen zu Lobby-Events landen während jeder Session auf den Tischen der National- und Ständeräte. Da fällt die Entscheidung nicht leicht. Einer, der sich aus der Fülle den E-Power-Anlass herausgepickt hat, ist der Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne). Aus Interesse, wie er betont.

«Die IT- und Telekommunikations-Branche ist zentral für Politik, Wirtschaft und Kultur. Doch sie erhält nicht genügend Aufmerksamkeit.» Und: «Wir brauchen die Informationen.» Deshalb hat Lobbying an sich für den Politiker auch keine negative Bedeutung. Doch er unterscheidet zwischen «gutem» und «schlechtem» Lobbying. «Ein guter Lobbyist ist derjenige, der kein Geheimnis macht aus den Ansichten, die er vertritt», so Balthasar Glättli.

Ein Informationsanlass
Legende: Abendessen, Information und Gespräche beim ePower-Sessionsanlass. SF

So habe er jeweils die Möglichkeit, die verschiedenen Standpunkte der Lobbyisten abzuholen – und sich daraus eine eigene Meinung zu bilden.

Ähnlich sieht es auch SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr aus dem Kanton Schaffhausen. Auch er ist ins Casino gekommen. Lobbying-Events sind für ihn dann interessant, wenn deren Themen sich mit seinen persönlichen Interessen und seinem politischen Engagement decken. «Es braucht eine gute Information durch Fachleute», betont er. Deshalb habe er auch nichts gegen offenen Lobbyismus. «Dass die Lobbyisten uns überzeugen wollen, gehört dazu.»

Keine Zeit für eigene Informationsbeschaffung

Gefährlich wird für Hans-Jürg Fehr das Lobbying dann, wenn jemand materielle Interessen vertritt. Wenn also beispielsweise ein Ständerat auch im Verwaltungsrat einer Krankenkasse sitze. «Diese Person vertritt dann die Interessen der Krankenkasse und nicht unbedingt jene der Wähler – welche ja dann eher die Patienten wären.»

Auch für den Grünliberalen Nationalrat Thomas Weibel aus dem Kanton Zürich ist es wichtig, dass ein Politiker sich immer alle Meinungen zu einem Thema anhört. «Die Folgerung daraus muss jeder selber ziehen». Denn: Die Argumente jeder Seite seien logisch und klar nachzuvollziehen.

Es sei zeitlich gar nicht möglich, alle für die Sessionen nötigen Informationen selber zusammenzutragen, betont Weibel. Doch nicht immer ist er mit der Arbeit der Lobbyisten einverstanden. Wenn jemand kein Herzblut habe etwa, dann leide die Glaubwürdigkeit.

Immer mehr Lobbyisten seien zudem aufdringlich und penetrant – selbst dann, wenn ein Politiker seine Meinung längst gemacht habe. «Diese Beharrlichkeit nervt mit der Zeit.»

Der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser nimmt an diesem Abend eine ganz besondere Stellung ein. Er gehört zum Kernteam der E-Power-Parlamentariergruppe und zeigt somit offen seine Haltung. Das ist für ihn auch das A und O im Umgang mit Lobbyisten. «Man soll mit einer klaren inneren Werthaltung offen auf die Informationsträger zugehen.»

Ruedi Noser (links) und Hans-Jürg Fehr.
Legende: Ruedi Noser (links) und Hans-Jürg Fehr schätzen eine offene Informationspolitik durch Lobbyisten. SF

Die Meinungsbildung finde sehr früh im politischen Prozess statt. Das sei auch ein Ziel des Sessionsanlasses: «Einige sind gekommen und hatten keine Ahnung. Jetzt haben sie eine Meinung.»

Das Thema Lobbying bleibt ein heisses Thema. Inzwischen wandeln im Bundeshaus mehr Lobbyisten umher als Parlamentarier, wie die «Rundschau» im Februar berichtete.

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