Nebra, die stattliche Holsteiner Kuh, scheut ein wenig vor dem automatischen Gatter des Melkroboters. Normalerweise aber lassen sich die 120 Hochleistungs-Milchkühe im Hof von Bauer Ruedi Bigler in Moosseedorf gerne und selbstständig von der Maschine melken, die rund um die Uhr für sie bereit steht: «Die Kühe können sich freiwillig melken lassen, wenn sie Lust dazu haben», sagt Bigler. «Das ist gut für das Tier, wenn man es mehr als zwei Mal pro Tag melken kann.» So werde das Euter weniger stark belastet.
Und nicht nur das Melken geht vollautomatisch: Im Hightech-Stall gibt es etwa eine Bürste, welche die Kühe selber einschalten können, um sich den Rücken zu bürsten; ein Roboter mistet derweil die Spaltenböden und fährt dazu wie ein Rasenmäher umher, ein weiterer Roboter füttert die Kühe.
Millonen-Investionen zahlten sich nicht aus
Ein solcher Hightech-Stall kostet mehrere Millionen Franken, bis zu 25'000 Franken pro Kuhplatz. Das ist etwa drei Mal so viel wie zum Beispiel in Deutschland. Für das Kilo Milch bekommen die Schweizer Bauern aber nur etwa das Doppelte wie ihre EU-Kollegen.
Eine Rechnung, die für viele nicht mehr aufgehe, sagt Bauer Bigler. Die Bauern schauten 365 Tage im Jahr nach ihren Kühen, «und Ende Jahr müssen wir feststellen, dass sich damit nichts verdienen lässt.»
Ein Drittel der Schweizer Milch geht ins Ausland
Der Milchpreis ist im letzten Jahr um rund 10 Rappen auf noch etwa 55 Rappen pro Kilo gefallen. Das trifft jene Betriebe besonders, die auf Produktionssteigerungen setzten und viel Geld in die Modernisierung und Mechanisierung steckten.
Aber: Preissteigerungen bei der Milch seien schwierig durchzusetzen, sagt Stefan Hagenbuch von swissmilk, dem Dachverband der Milchproduzenten. Denn der Schweizer Milchmarkt sei eng mit dem Ausland verknüpft: «Wir exportieren einen Drittel unserer Produktion. Und wenn man so viel exportiert, hängt man zwangsläufig vom EU-Milchpreis ab.»
Mit dem Euro-Kurs sanken auch die Milchpreise
Auch der Frankenschock im Januar hat die Milchbauern hart getroffen. Drei Tage nach dem Entscheid der Nationalbank, den festen Euro-Frankenkurs aufzugeben, senkten die grossen Milchverarbeitungsbetriebe den Milchpreis markant – und tief ist der noch immer, obwohl sich der Euro-Kurs wieder etwas verbessert hat. «Wir sind der Auffassung, hier liegt noch etwas drin», glaubt deshalb swissmilk-Vizepräsident Hagenbuch.
Bei Emmi, dem grössten Milchverwerter der Schweiz, sieht das Konzern-Sprecherin Esther Gerster allerdings anders. Zum einen legten Produzenten, Verarbeiter und Grossverteiler den Milch-Richtpreis gemeinsam fest. Zum andern habe Emmi zwar ab dem 1. Februar einen Abzug von 1.45 Rappen gemacht wegen der Frankenstärke. Und sie betont: «Wir haben den Milchpreis bereits im April wieder um einen halben Rappen erhöht, als sich der Euro erholt hat.»
Entscheidend ist der Milchpreis in den Nachbarländern
Was nach Rappenspalterei tönt, kann über Existenzen entscheiden. Ein Rappen mehr fürs Kilo Milch bedeutet für Bauer Bigler 10'000 Franken Einkommen.
Der entscheidende Faktor für ihn ist aber der Milchpreis in den Nachbarländern. Zwar dürfen ausländische Milch und Butter noch nicht in die Schweiz eingeführt werden. Bereits liberalisiert ist aber der Käsemarkt.
Als ich zu bauern angefangen hatte, gab es in unserem Dorf 17 Milchproduzenten. Heute sind es noch zwei.
Auch mit billigem Yoghurt aus der EU oder etwa mit Milchdrinks oder Mozzarella müssen die Schweizer Milchbauern konkurrieren. Mehrere hundert Millionen Franken gehen zudem verloren, weil Schweizerinnen und Schweizer massenhaft im Ausland Lebensmittel einkaufen. All das beschleunigt den Strukturwandel.
«Als ich zu bauern angefangen hatte, gab es in unserem Dorf 17 Milchproduzenten», sagt Bauer Bigler und stellt ernüchtert fest. «Heute sind es noch zwei.» Das Milchland Schweiz ohne Milchbauern und ohne Kühe: schwer vorstellbar. Aber für Ruedi Bigler nicht gänzlich ausgeschlossen.