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Schweiz Nachtfahrverbot: Gewerbeverband will Brummis länger lärmen lassen

Trotz Nachtfahrverbot kurven 400 Lastwagen pro Nacht über einzelne Schweizer Autobahn-Abschnitte. Die Transporteure profitieren von grosszügigen Ausnahme-Regeln. Dessen ungeachtet wollen Lastwagen-Lobby und Gewerbeverband die Sperrzeiten um noch einmal zwei Stunden eindampfen.

Durchschnittlich 411 Lastwagen pro Nacht sind im Jahr 2011 über die Messstelle Deitingen (SO) auf der Autobahn A1 gefahren. Das haben Recherchen der «Rundschau» ergeben. Fast jede Minute also war zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens ein Camion unterwegs. In dieser Zeit gilt eigentlich das Nachtfahrverbot für Lastwagen.

Geht es nach dem Willen des einflussreichen Gewerbeverbands, sollen in Zukunft noch viel mehr Lastwagen in der Nacht fahren dürfen. Direktor Hans-Ulrich Bigler will das Nachtfahrverbot um zwei Stunden kürzen.

Abends soll bis 23 Uhr gefahren werden dürfen, morgens schon ab 4 Uhr. «Man darf nicht vergessen, dass wir immer mehr Kapazitätsengpässe haben», sagt Bigler. «Wenn wir früher mit den Lastwagen starten können, dann können wir den Arbeitsverkehr entlasten. Es gibt weniger Stau und das nützt letztlich allen».

Chauffeure haben keine Lust auf Stau

Auch Peter Galliker, Vorstands-Mitglied beim Nutzfahrzeugverband Astag und Logistik-Unternehmer aus dem Kanton Luzern, will das Nachtfahrverbot kürzen. Er ist überzeugt, dass sich die Arbeitsbedingungen für die Chauffeure trotz mehr Nachtfahrten nicht verschlechtern würden: «Die Chauffeure wollen einen guten Job machen, wollen fahren und nicht im Stau stehen». Eine Lockerung des Nachtfahrverbots sei nötig, weil immer mehr Produkte sehr kurzfristig geliefert werden müssten, sagt Galliker.

Joghurt-Transport mitten in der Nacht

Erstmals hat das Bundesamt für Strassen Astra im Auftrag der «Rundschau» an wichtigen Stellen des Autobahn-Netzes die Nachtfahrten von Lastwagen ausgewertet. So fuhren etwa auf der Umfahrung Winterthur (ZH) durchschnittlich 294 Camions während des Nachtfahrverbots, bei Muttenz (BL) auf der A2 waren es 293 Lastwagen.

Die Konsumenten sollen daran nicht ganz unschuldig sein. Transporteur Galliker lässt nämlich bereits heute jede Nacht 25 Lastwagen fahren. Die Camions transportieren Lebensmittel. Bis 2010 brauchte es eine Sondergenehmigung für jeden Lastwagen, der zwischen 22 und 5 Uhr unterwegs war. Jetzt ist der Transport von frischen Lebensmitteln sehr grosszügig geregelt: was bis 30 Tage haltbar ist, darf in der Nacht ohne Bewilligung gefahren werden.

Peter Galliker lässt darum auch Joghurts in der Nacht transportieren: «Die Konsumenten verlangen eine möglichst lange Haltbarkeit – du willst ja nicht ein Joghurt in den Kühlschrank tun, das übermorgen schon abläuft.»

Verlagerungspolitik gefährdet

Der Verein Alpeninitiative wehrt sich gegen diesen Versuch, das Nachtfahrverbot aufzuweichen. «Man würde das Lärmproblem, das wir sehr stark in der ganzen Schweiz haben, verschärfen», befürchtet Geschäftsführer Alf Arnold. Und er sieht auch die Verlagerungspolitik gefährdet.

Heute kommen alle Güter, die nach 22 Uhr nicht mehr auf der Strasse transportiert werden dürfen, auf die Schiene. Die Politik hat der Bahn in der Nacht ganz bewusst einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Doch mit einer Kürzung des Nachtfahrverbots würde die Strasse noch attraktiver für den Gütertransport, warnt die Alpeninitiative.

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