Innenminister Alain Berset (SP) und Verkehrsministerin Doris Leuthard (CVP) sollen die Passivität ihres Ratskollegen Johann Schneider-Ammann (FDP) bei den flankierenden Massnahmen barsch kritisiert haben. Die «NZZ am Sonntag» und die «Schweiz am Sonntag» hatten darüber berichtet. In einem Mitbericht von Ende November forderten sie offenbar mehr Engagement zur Abfederung der Negativ-Folgen der Personenfreizügigkeit vom Wirtschaftsminister.
Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, oder, wie die «Schweiz am Sonntag» befand, «eine Ohrfeige» für den Berner Bundesrat. Im Gremium soll das Anliegen eine Mehrheit gefunden haben; nur VBS-Chef Ueli Maurer (SVP), Finanzminister in spe, habe den Wirtschaftsminister in seinem Kurs bestätigt.
Kampf gegen Missbräuche
Heute nun trat Schneider-Ammann vor die Medien in Bern. Er wolle nicht verhehlen, sagte er, dass er im Bundesrat «immer wieder die Position eines langjährigen Unternehmers einnehme.» Man raufe sich aber, trotz unterschiedlicher «Ausgangslagen», immer wieder zusammen.
Schliesslich zeigte der Wirtschaftsminister auf, wie der Gesamtbundesrat die flankierenden Massnahmen verschärfen will: Das inländische Potenzial an Arbeitskräften solle besser abgeschöpft und Missbräuche auf dem Arbeitsmarkt bekämpft werden.
Die Ansätze dafür seien bekannt, so der Wirtschaftsminister: Missbräuche bei Lohn- und Arbeitsbedingungen müssten entschieden angegangen werden. Konkret soll der Kampf gegen Schwarzarbeit forciert werden. Zwar stehe man diesbezüglich sehr gut da im Vergleich mit dem Ausland: «Trotzdem wollen wir noch besser werden.» Zudem gelte es die Akzeptanz der Bevölkerung in notwendige Zuwanderung zu stärken.
Dauerbrenner Fachkräfte-Initiative
Zuletzt müssten die inländischen Fachkräfte besser abgeschöpft werden, um auf diesem Weg die Zuwanderung zu beschränken. Bei der Fachkräfte-Initiative wolle man nun weiter «Mosaiksteinchen» mit Kantonen und Sozialpartnern zusammensetzen. «Der grosse Wurf» sei aber im Moment nicht zu verkünden. Man habe im Bundesrat einvernehmlich beschlossen, die Massnahmen zu intensivieren – auch er selbst stehe dahinter, so Schneider-Ammann.
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist ausserordentlich gut.
Generell sei die Ausgangslage im Schweizer Arbeitsmarkt aber «ausserordentlich gut»: «Und in einem derart gut funktionierenden Arbeitsmarkt ist es schwierig, immer noch neue Leute aufzunehmen. Das ist kein Pappenstiel». Man müsse einmal sagen, dass auch Staatssekretariat für Wirtschaft sehr gute Arbeit leiste.
Linke und Arbeitnehmerverbände fordern Taten
Druck für griffigere flankierende Massnahmen wird seit längerem von linker Seite und Arbeitnehmerverbänden aufgesetzt: Sie wollen vor einem allfälligen Urnengang zu den Bilateralen handfeste Erfolge zum Schutz der einheimischen Arbeitskräfte sehen – ansonsten sei das fundamentale Vertragswerk zwischen Bern und Brüssel gefährdet. Vor allem fordern sie mehr Arbeitnehmerschutz, etwa Massnahmen zum Schutz vor Lohndumping. Das Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative begründen sie mit Versagen der Arbeitgeber in diesen Fragen.
Die Wirtschaft ihrerseits sieht darin unnötigen Aktionismus: Sie hält die bestehenden Instrumente zum Schutz inländischer Arbeitskräfte für genügend. Der Gesamtbundesrat, der im März seine Pläne zur Umsetzung der Zuwanderungsinitiative darlegen will, teilt diese Ansicht nicht mehr. Am 4. Dezember sprach er sich in einem Grundsatzentscheid für eine Stärkung der flankierenden Massnahmen aus. Noch im April hatte die Regierung dem Vorhaben auf Druck der Bürgerlichen und des Arbeitgeberverbandes eine Absage erteilt.