Arbeiter in orangen Arbeitskleidern und mit Helm im Tunnel. Dazu der Slogan: «Die erste Herausforderung ist gemeistert. Widmen wir uns der nächsten.» So wirbt die SBB für ihre neue Vorzeigestrecke.
Mit dem neuen Bahnhof, auch die Durchmesserlinie genannt, erhält die SBB aber auch ein neues Bauwerk, das sie pflegen muss. SBB-Sprecher Reto Schärli sagt, grundsätzlich sei in all diesen neuen Anlagen Technik eingebaut worden, die sich bewährt habe. Es gebe aber auch einige spezielle Dinge. «Unter dem Universitätsspital und dem Radiostudio SRF wurden etwa spezielle Dämpfungen eingebaut.» Die spielten dann natürlich auch beim Unterhalt eine Rolle.
Grosser Unterhalt bei Elektronik
Zwar seien der Tunnel und die Bahnstrecke unterhaltsfreundlich gebaut, sagt Ulrich Weidmann, ETH-Professor für Verkehrsplanung und Technik. Aber da gebe es noch anderes, das unterhalten werden müsse: «Ich erwarte die Hauptarbeiten in den Bereichen der Elektronik und Sensorik.» Diese Bereiche hätten nicht die Lebensdauer wie diejenige einer Tunnelschale.
Die SBB stehe vor drei schwierigen Aufgaben, so Weidmann weiter. Das erste Dilemma bestehe im zusätzlichen Anlagenvolumen. Damit stiegen die Fixkosten. Zweitens: die stärkere Nutzung der Anlagen. Damit steigt auch der Erhaltungsbedarf. Und das dritte Dilemma: Je mehr Verkehr fliesst, desto schlechter könnten Unterhaltsarbeiten gemacht werden.
Kein zusätzliches Geld für Unterhalt
Mehr Züge, mehr Verbindungen, mehr Tempo – das alles kostet mehr im Unterhalt. Und das in dem Bereich, wo sich in den letzten Jahrzehnten ein Pendenzenberg angestaut hat. So haben etwa Schienenfehler markant zugenommen, die im schlimmsten Fall eine Schiene brechen und einen Zug entgleisen lassen.
Zusätzliches Geld für diesen Unterhalt fehlt aber. SBB-Sprecher Schärli: «Deshalb hat die SBB ein Massnahmenprogramm lanciert. Wir wollen die Unterhaltsarbeiten noch effizienter abwickeln können. Zusätzlich haben wir auch ein Sparprogramm lanciert.»
«Probleme werden in die Zukunft verlagert»
Für Bahnexperte Sepp Moser geht das gar nicht: «Statt das zu intensivieren, was man in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt hat, macht man einfach Flickschusterei auf hohem Niveau – böse gesagt, um die Probleme in die Zukunft zu verlagern.»
Zwar stehen in zwei Jahren mit der neuen Finanzierung für Bahninfrastruktur wieder mehr Mittel zur Verfügung. Trotzdem kann die SBB ihren Pendenzenberg beim Unterhalt nicht sofort abbauen. Sie geht davon aus, dass das erst 2035 der Fall ist.
Die eigentliche Herausforderung: Unterhaltsarbeiten
Angesichts der fehlenden Mittel ist ETH-Professor Weidmann der Meinung, dass die lange Liste der geplanten Ausbauten überdacht werden sollte: «Ich bin nicht ganz überzeugt davon, dass alles realisiert wird, was heute als realisierungsfähig erscheint.» Mutmasslich müsse der Ausbau noch etwas nach unten korrigiert werden.
Nicht das nächste Ausbauprojekt ist also die eigentliche Herausforderung der SBB. Diese liegt vielmehr darin, das Bahnnetz in Schwung zu halten und die angestauten Unterhaltsarbeiten anzugehen. Auch wenn dies weniger spektakulär ist als das Durchtrennen von roten Bändern bei Eröffnungsfeiern.
(roso)