Stein des Anstosses sind Geräte zum Abhören und Stören von Handy-Gesprächen – sogenannte IMSI-Catcher. Die Anzeichen häufen sich, dass solche Technik von Schweizer Unternehmen im Ausland für die Überwachung und Repression von Oppositionellen eingesetzt wird.
So berichtete zum Beispiel das «St. Galler Tagblatt» am 8. Januar 2015, dass die Technik nach Äthiopien und Aserbaidschan geliefert werden soll – beide Länder sind in festen Händen von autoritären, repressiven Regimen.
Kaum rechtliche Handhabe
Letzte Woche hat der Bundesrat unerwartet reagiert: Mittels Notverordnung hat dieser eine Regelung geschaffen, die ausdrücklich die Menschenrechtssituation im Empfängerstaat berücksichtigt. Künftig sollen Exporte von Überwachungstechnik verboten sein, wenn es Anzeichen gibt, dass sie für die Unterdrückung von Menschen eingesetzt werden könnten (SRF berichtete).
Dass dafür eigens Notrecht bemüht werden muss, hängt mit der Schweizer Gesetzgebung zusammen.
Bei IMSI-Catchern handelt es sich um sogenannte «Dual-Use-Güter» – Güter, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können. Zusammen mit den «besonderen militärischen Gütern» – beispielsweise Trainingsflugzeuge, Funksysteme oder Tarnmaterial – werden jene im Güterkontrollgesetz (GKG) reguliert.
Im Gegensatz zu konventionellen Kriegsmaterialexporten werden GKG-Güter weniger restriktiv gehandhabt – humanitäre Überlegungen haben bei der Beurteilung von Ausfuhrgesuchen kein Gewicht.
«Die Schweiz hat mit diesem Gesetz keine Möglichkeit, Geschäfte mit heiklen Abnehmern zu verhindern». Das sagt Jörg Künzli, Professor für Staats- und Völkerrecht an der Universität Bern. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist zuständig für die Exportkontrolle. Dieses muss unter der gegenwärtigen Gesetzgebung alle Ausfuhrgesuche bewilligen. Nur der Bundesrat kann ihre Ausfuhr stoppen: Dieser kann Sanktionen gegen einzelne Länder verhängen. Und Bewilligungen verweigern, wenn mit den Gütern Terroristen unterstützt werden könnten.
Einsatz von Notrecht ein Novum und «nicht unproblematisch»
Um aber eine Kategorie von Gütern einzuschränken, wie im aktuellen Fall, muss der Bundesrat schweres juristisches Geschütz auffahren: die Notverordnung. Ein Mittel, das die Bundesverfassung ausschliesslich zur «Wahrung der Interessen des Landes» vorsieht. Dementsprechend selten macht der Bundesrat davon Gebrauch – in Bezug auf eine ganze Güterkategorie nun zum ersten Mal.
Die jüngste Entwicklung ist grundsätzlich zu begrüssen, meint Künzli. Doch rechtlich gesehen sei sie «nicht unproblematisch». Denn: Im Jahr 2009 war bekannt geworden, dass die tschadische Regierung Pilatus-Trainingsflugzeuge für Kampfeinsätze im Sudan zweckentfremdet hatte. Daraufhin versuchte der Bundesrat, mehr Kompetenzen zur Einschränkung bedenklicher Exporte zu erhalten – das Parlament lehnte ab.
Überwachungstechnik: nur die Spitze des Eisbergs
Unter diesem Gesichtspunkt mutet die nun erlassene Notverordnung wie ein Gang durch die Hintertür an. Bisher blieb der Aufschrei im Parlament jedoch aus. Nicht zuletzt wohl, weil das Geschäft mit Überwachungstechnik kein allzu grosses Gewicht hat.
Denn seit dem Jahr 2012 wurden rund 100 Export-Bewilligungen für IMSI-Catcher eingeholt – im Gesamtwert von zirka 30 Millionen Franken. Ein verhältnismässig kleiner Posten im Vergleich zur Gesamtsumme der bewilligten Exporte von 4 Milliarden Franken. Dies zeigt die Anfang Jahres veröffentlichte Bewilligungs-Datenbank des Seco, die SRF ausgewertet hat.
Die Datenbank des Seco beinhaltet ausschliesslich die Bewilligungen der Geschäfte und keine Angaben darüber, was effektiv ausgeführt wurde. Momentan sind Bestrebungen im Gang, die Statistik mit jener der Zollverwaltung abzugleichen, erklärt Jürgen Böhler, beim Seco zuständig für Exportkontrollen.
Die Daten geben ein detailliertes Bild über die Exportpolitik des Bundes und eine Übersicht darüber, welche Länder an welchen Gütern interessiert sind – und in welchem Umfang. Besonders beliebt sind Trainingsflugzeuge und Simulatoren, vorderhand exportiert nach Saudi-Arabien, Indien und Katar.
Diese Aufträge sind so umfassend, dass ihre Ausführung mehrere Jahre dauert. Weil eine Exportbewilligung aber nur ein Jahr gültig ist, tauchen in den Daten vereinzelt auch Geschäfte auf, die schon vor dem Jahr 2012 bewilligt wurden. Solche Mehrfachbewilligungen führen dazu, dass Aufträge in der Statistik mehrfach vorkommen können. Das SECO will diese Schwäche künftig beheben.
Klar ist: Über drei Viertel des bewilligten Exportvolumens fallen auf nur fünf Länder – Saudi-Arabien, China, Indien, Russland und Katar. Es sind Länder, in denen die Menschenrechtslage teils prekär ist oder die in bewaffnete Konflikte verwickelt sind. Trotzdem ist ihnen der Kauf von militärisch verwendbaren Gütern aus Schweizer Produktion weiterhin erlaubt.
Mitarbeit: Patrizia Schlosser, Jonas Wyssen.