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Schweiz «Nun gibt es Rechtssicherheit»

Nach dem Bundesgerichts-Entscheid darf das 14-jährige Mädchen aus St. Margrethen mit Kopftuch in die Schule. Muslimische Organisationen begrüssten den Entscheid. Nicht zufrieden waren die Schulbehörde und das St. Galler Bildungsdepartement – sie freuen sich aber, dass es nun Rechtssicherheit gibt.

Jahrelang ging das Ping-Pong-Spiel zwischen der Schule, den Eltern des Mädchens, dem St. Galler Bildungsdepartement sowie dem kantonalen Verwaltungsgericht hin und her. Nun hat das Bundesgericht entschieden: Das 14-jährige Mädchen darf weiterhin in der Schule ihr Kopftuch tragen.

Der Entscheid war eindeutig gefallen, mit vier zu einer Stimme. Die richterliche Mehrheit sah keinen Grund, warum an öffentlichen Schulen ein Kopftuchverbot für Schülerinnen gelten sollte.

Lernendes Kind im Mittelpunkt

«Ich bin erstens froh, dass das Bundesgericht entschieden hat – und dass es so entschieden hat», sagt Thomas Rüegg, Präsident des Verbandes St. Galler Volksschulträger. Er sei gut, dass die Situation geklärt sei: «Das lernende Kind steht für die Schulen im Mittelpunkt.» Es brauche klare Rahmenbedingungen für das Kind. «Wenn sich Politik, Gesellschaft und Religion streiten, ist das nicht förderlich für die Schulsituation.»

Muslimische Organisationen froh

Die Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) sei erleichtert über den Entscheid des Bundesgerichts, wonach das Kopftuchverbot ein unrechtmässiger Eingriff in die Glaubens- und Religionsfreiheit ist. «Wer behauptet, das Tragen eines islamischen Kopftuches sei kein Menschenrecht und habe nichts mit der Religion zu tun, der irrt», sagte Önder Günes, Sprecher der Dachorganisation, die sich um den Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften bemüht.

Nicht vollends zufrieden zeigte sich der umstrittene Islamische Zentralrat (IZRS), der die bosnische Familie des Mädchens aus St. Margrethen beraten hatte. Er begrüsste es, dass sich «das Bundesgericht zu einem freiheitlichen Geist der Schweizer Rechtsordnung bekennt.» Dennoch sei es «die traurige Kehrseite» des Entscheides, dass sich «Muslime das Recht, sich so zu kleiden, wie es ihrem Glauben entspricht, durch alle gerichtlichen Instanzen erkämpfen müssten.»

Bildungsdepartement: Nun gibt es Rechtssicherheit

Etwas anders sieht das die betroffene Schule. «Trotz des Entscheides aus Lausanne ist der Schulrat von St. Margrethen nach wie vor überzeugt, dass das Tragen des islamischen Kopftuches bereits im Kindesalter ein Symbol für eine fundamentalistische Auslegung des Islams und damit ein Integrationshindernis darstellt», schrieb Roger Trösch, Schulratspräsident der Gemeinde.

Doch sowohl die Schulgemeinde wie auch das St. Galler Bildungsdepartement unter SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker begrüssen, dass es in dieser Frage nun Rechtssicherheit gebe. Nun könne die St. Galler Regierung die drei politischen Vorstösse zur Verankerung von Bekleidungsvorschriften im Volksschulgesetz bearbeiten. Diese waren wegen des bevorstehenden Bundesgerichtsentscheides ausgesetzt worden.

«Urteil bezieht sich auf den konkreten Fall»

Für den St. Galler Professor für Öffentliches Recht Bernhard Ehrenzeller ist es wichtig zu sehen, wo die Grenzen des Urteils sind: «Die Grenzen liegen darin, dass das Bundesgericht gesagt hat, ein totales Kopftuchverbot während des Unterrichts sei nicht verhältnismässig. Aber eben nur das Kopftuch», so der auf Verfassungsfragen spezialisierte Professor.

Das Bundesgericht habe nicht entschieden, dass damit auch ein Recht für muslimische Kinder bestehe, sich vom Schwimmunterricht oder vom Sexualunterricht fernzuhalten. Es bleibe damit beim diesem Kopftuchentscheid.

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