Wenn in der Schweiz ein Staatsanwalt wissen will, wann ein mutmasslicher Drogendealer mit wem telefoniert hat, dann ordnet er beim Bund eine Überwachung an. Der Überwachungsdienst des Bundes bestellt dann, vereinfacht gesagt, die Daten beim zuständigen Telekom-Anbieter.
Hat der verdächtige Dealer sein Handy-Abo bei Orange, kann es sein, dass der Überwachungsdienst die Daten in Rumänien einholen muss. «Orange hat den Betrieb und den Unterhalt des Mobilfunknetzes an Ericsson ausgelagert», sagt Orange-Mediensprecherin Therese Wenger. «Das heisst, dass ein Teil der Überwachungsdienste in der Schweiz und ein Teil von der europäischen Hauptsteuerzentrale von Ericsson in Rumänien getätigt wird.» Das sei nichts Besonderes, so Wenger.
Auf Dienste aus Rumänien setzt zum Beispiel auch der Mobilfunk-Riese Vodafone in Italien. Die beiden anderen grossen Schweizer Mobilfunk-Anbieter, Swisscom und Sunrise, geben an, bei ihnen würden alle Daten in der Schweiz gesichert und auch ausnahmslos hier bearbeitet.
Verständigungsprobleme in der Praxis
Aber Orange hält sich ans Gesetz: Telekom-Anbieter dürften durchaus Daten im Ausland bearbeiten lassen, sagt Nils Güggi vom Überwachungsdienst des Bundes.
Doch in der Praxis stosse der Überwachungsdienst manchmal auf Probleme, wenn er Daten im Ausland einhole. So sei es zum Beispiel nicht möglich, mit einer der Sprachen, «die wir üblicherweise einsetzen, wirklich sinnvoll und problemlos zum Ziel zu kommen», sagt Güggi. «Das heisst, dass unser Gegenüber weder Englisch noch Französisch noch Deutsch noch Italienisch wirklich perfekt versteht oder sich in dieser Sprache ausdrücken kann.»
Unser Gegenüber versteht weder Deutsch, noch Englisch, noch Französisch noch Italienisch wirklich perfekt.
Bei Orange widerspricht Wenger. «Im Pflichtenheft mit Ericsson ist klar vereinbart, dass die entsprechenden Mitarbeiter mit den Schweizer Behörden in Deutsch und Französisch kommunizieren. Und das hat nach unserem Wissen bisher auch sehr gut geklappt», sagt sie.
«Erhebliches Sicherheitsrisiko» für Kunden
Ob sich die Überwacher des Bundes und die Datenbearbeiter in Rumänien nun verständigen können oder nicht: Wenn ein Telekom-Anbieter von Rumänien aus Daten bearbeite, stellten sich ohnehin noch ganz andere Probleme, sagt Norbert Bollow. Er ist Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft, einer Organisation, die sich unter anderem mit der Datensicherheit im Internet beschäftigt.
Das sei ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Kunden dieses Providers, sagt Bollow. Zum Beispiel für Personen, die eine wichtige Rolle bei einer Firma hätten, in einer sicherheitsrelevanten Firma arbeiteten oder sonst genug Geld besässen, um für Betrüger interessant zu sein. «Dann ist es ein Risiko, wenn Sie ihr Mobiltelefon, das Sie auch zur Besprechung von privaten und vertraulichen Dinge nutzen, bei einem Provider haben, auf den nicht nur Schweizer Kriminelle Zugang haben, sondern auch rumänische.»
Rumänien mit schlechtem Ruf
Gerade Rumänien kritisieren EU-Länder immer wieder. Das Land bekämpfe organisierte Kriminalität nicht energisch genug, heisst es. Ist Rumänien also wirklich ein geeigneter Standort für die Überwachungsteams von Telekom-Anbietern?
Wenn Sie viel Geld haben und für Betrüger interessant sind, dann ist es ein Sicherheitsrisiko.
Orange-Mediensprecherin Wenger dreht den Spiess um: «Die Tatsache, dass Daten in der Schweiz durch Schweizer Bürger bearbeitet werden, sagt noch nichts über die Sicherheit aus», sagt sie. Schliesslich sei die Swisscom, die alles von der Schweiz aus erledige, erst letztes Jahr mit einem Datenleck konfrontiert gewesen.
Orange ist aber möglicherweise nicht der einzige Schweizer Anbieter, der seine Daten im Ausland bearbeiten lässt. Der Überwachungsdienst des Bundes bestätigt: Probleme ergäben sich auch bei der Zusammenarbeit mit Telekom-Anbietern, die Teams mehrere Zeitzonen entfernt stationiert hätten.
Welche Firmen das sind, bleibt offen. Denn auch kleinere Anbieter wie Lebara oder Lycamobile geben auf Anfrage an, ausschliesslich von der Schweiz aus zu operieren.