Andreas Beerli forscht an der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Seine neue Studie hat er diese Woche in einer Fachzeitschrift publiziert, dabei hat er die Verlierer der Personenfreizügigkeit identifiziert: «Das sind vor allem ältere Arbeitnehmer mit einem Lehrabschluss. Sie wurden ersetzt durch Immigranten, die vielleicht einen besseren Abschluss hatten als die Einheimischen.»
Firmen hätten es in solchen Fällen attraktiv gefunden, Verträge nach der Rezession auslaufen zu lassen oder die Arbeitnehmer zu frühpensionieren, führt Beerli aus. Betroffen sind also vor allem einheimische Arbeitnehmende ab 50 mit einer Berufslehre, aber ohne Weiterbildung, zum Beispiel ohne eine höhere Berufsbildung.
Das SECO sieht Lohndruck an den Grenzen
Solche Verdrängungseffekte sind allerdings schwierig nachzuweisen, denn schliesslich beeinflusst nicht nur die Zuwanderung allein den Arbeitsmarkt, es spielen auch andere Faktoren, zum Beispiel die Konjunktur. Zahlreiche Studien zum selben Thema gelangen daher immer wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Zuletzt hielt das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco in seinem jüngsten Bericht zum Thema fest: Die Zuwanderung beeinflusse Löhne, Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit in der Schweiz insgesamt kaum. Schwierigkeiten zeigten sich allerdings im Tessin.
Demgegenüber sagt der Ökonom Beerli: Neu an seiner Arbeit sei sein Ansatz. Er verglich Schweizer Grenzregionen mit Regionen im Inneren der Schweiz. Denn diese beiden Gebiete liberalisierten ihre Arbeitsmärkte zwischen 2004 und 2007 unterschiedlich schnell: In den Grenzregionen hatten Grenzgänger ab 2004 freien Zugang zum Arbeitsmarkt, im Inneren der Schweiz hingegen erst ab 2007.
Andreas Beerli sagt, so könne man vergleichen, wie sich die Liberalisierung im Zuge der Personenfreizügigkeit auf die Migration ausgewirkt habe: «Und wie sich das konsequenterweise auf die Lohn- und Arbeitsstundenentwicklung der Schweizer Erwerbstätigen ausgewirkt hat.»
Gewinner sind die gut ausgebildeten Schweizer
Dabei hat der Ökonom allerdings nicht nur Verlierer entdeckt: Profitiert von der Personenfreizügigkeit hätten Schweizer Arbeitnehmende mit einem Uni-Abschluss oder einer höheren Berufsbildung. «Interessant ist, dass gut Ausgebildete die Möglichkeit gefunden haben, in höhere Berufsgruppen aufzusteigen – etwa in Management-Positionen.»
Das erkläre auch, schliesst Beerli, warum ihre Löhne mit der Migration nicht gesunken, sondern gestiegen seien. Die Personenfreizügigkeit teilt die Schweizer Arbeitnehmenden so gesehen in zwei Lager – in Gewinner und Verlierer.