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Schweiz «Pionierprojekte bergen immer ein Risiko»

Das St. Galler Geothermie-Projekt unterscheide sich vom gescheiterten Basler Versuch, hiess es. Erdstösse werde es keine geben. Nun hat aber auch hier die Erde gebebt. Heisst dies, dass die Geothermie in der Schweiz gescheitert ist?

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Im Dezember 2006 bebt in der Region Basel die Erde mit einer Stärke von 3,4. Es gibt Schäden an Gebäuden im Wert von 9 Millionen Franken. Grund: Bohrungen für das lokale Geothermie-Projekt. Eine Risikoanalyse Ende 2009 bedeutet dann das endgültige Aus für das Projekt.

Das St. Galler Projekt wurde 2009 in einer Machbarkeitsstudie bewertet. Damals wurde von den Verantwortlichen ein Erdbebenrisiko verneint. Das Projekt unterscheide sich technologisch von demjenigen in Basel. Es stehe auf sicherem Grund. Das St. Galler Beben war nun mit 3,6 jedoch stärker als dasjenige von Basel.

Wie gross ist der Ärger?

Die Verantwortlichen in St. Gallen beschwichtigen. Man habe auf die Risiken hingewiesen – sei nun aber doch überrascht. In den nächsten Tagen will ein Krisenstab über die Ereignisse beraten. Es stellt sich die Frage: Haben das St. Galler Projekt und die Geothermie in der gesamten Schweiz eine Zukunft?

«Es ist sicher ein herber Schlag», sagt SRF-Korrespondentin Henriette Engbersen. Entscheidend für das Projekts sei, wie Politik und Bevölkerung nun reagieren würden. Wie gross der Ärger sei.

«Viel los in der Geothermie»

«Es ist noch zu früh zu sagen, ob das Projekt gescheitert ist», schätzt auch Stefan Wiemer, Direktor des Schweizerischen Erdbebeninstituts an der ETH Zürich. Wiemer sagt, es sei von Anfang an klar gewesen, dass es in St. Gallen ein hohes Risiko gebe. Einerseits, dass man gar kein heisses Wasser findet – andererseits das Erdbebenrisiko.

In der Branche werde nun ein Denkprozess einsetzen, um zu sehen, was man aus St. Gallen lernen könne. Auch wenn die eingesetzten Technologien durchaus unterschiedlich seien. Wiemer: «Es ist momentan viel los in der Geothermie. Firmen wie Axpo und BKW denken darüber nach, was für Projekte in Zukunft als Teil der Energiewende sinnvoll sind.»

Energiewende setzt auf Geothermie

Die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht vor, dass etwa fünf bis zehn Prozent des Strombedarfs aus Geothermie gedeckt werden. Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie glaubt, dass dieses Ziel noch immer realistisch ist: «Die Modellrechnungen sind sehr konservativ.» Es gebe weitere Geothermie-Projekte in der Schweiz. Und auch das St. Galler Projekt sieht Zünd noch nicht vor dem Aus.

Ein grundsätzliches Risiko bei der Energiegewinnung sei aber nicht wegzudiskutieren. «Energie ist etwas, was der Mensch gewinnen möchte. Es ist wichtig, dass man die Risiken genau abklärt.» Und man müsse entscheiden, ob das Risiko tragbar sei. Pionierprojekte wie diese würden aber ein spezielles Risiko in sich bergen.

Auch Zürich gescheitert

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Nebst dem eingestellten Geothermie-Projekt ist auch ein Projekt in Zürich gescheitert. Hier hab es allerdings keine Erdbeben. Bei den Bohrungen beim Triemli wurde aber zu wenig heisses Wasser gefunden.

Wieso wird bei Städten gebohrt?

Mit der Gefahr muss man also leben. Wieso aber wird ausgerechnet immer in der Nähe von Städten gebohrt? Wiemer: «Dort hat man die Abnehmer, die dieses heisse Wasser benutzen können. Und dazu kommt, dass die Schweiz sehr dicht besiedelt ist.» Gebiete zu finden, wo gar keine Leute leben, sei nicht einfach.

Die Geothermie-Projekte in Basel und St. Gallen seien im weiteren Sinne Erkundungsbohrungen gewesen, sagt Wiemer: «Man versucht besser zu verstehen, was das Potenzial dieser Technologie ist.» Die Technologie sei noch nicht so weit entwickelt, dass man immer genau wisse, was man unter der Erde antrifft.

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