Baby-Fernseher werden sie auch genannt, die Ultraschallbilder, die vom ungeborenen Kind gemacht werden. Seit den 80er-Jahren bieten Gynäkologen diese Möglichkeit an. Die Bilder sollen zeigen, ob das Kind richtig liegt, ob es sich gut entwickelt, und sie geben Hinweise darauf, ob das Kind einen Gendefekt haben könnte. Bei einem entsprechenden Verdacht haben viele Schwangere eine Fruchtwasserpunktion lassen machen – einen Eingriff, bei dem ein gewisses Risiko besteht, das Kind zu verlieren.
Weniger «falsch-positive» Resultate
Mit den neuen Bluttests ist dieses Risiko ausgemerzt. Ein Vorteil, findet Susanne Brauer, die eine neue Studie für das Zentrum für Technologiefolgen der Schweizer Akademien (TA-Swiss) geleitet hat.
Zugleich sei das Resultat dieses Tests auch viel genauer: So gebe es weniger falsch-positive Resultate, womit die Frauen weniger unbegründet beunruhigt oder belastet würden. Der andere ganz grosse Vorteil sei, dass die invasive Diagnostik – also die Fruchtwasserpunktion und die Chorionzottenbiopsie – abnehme.
Der neue Test ist seit 2012 in der Schweiz verfügbar. Seither ist laut Brauer die invasive Diagnostik bereits massiv zurückgegangen. Invasiv, also gewebeverletzend, ist zum Beispiel die Fruchtwasserpunktion.
Und wenn die entscheidende Frage kommen sollte?
Doch was machen die Frauen, wenn sie dann tatsächlich erfahren, dass ihr ungeborenes Kind einen Chromosomen-Fehler hat? Hier liegt für Susanne Clauss das grosse Problem bei den vorgeburtlichen Untersuchungen. Als Hebamme und Leiterin des Geburtshauses «Luna» in Biel wurde sie für die Studie befragt. Nach ihren Worten gehen viele Frauen sehr ahnungslos in Tests hinein, weil sie nur die Bestätigung möchten, dass alles gut ist.
Sie überlegen sich dagegen laut Clauss viel zu wenig, was sie bei einem «nicht guten» Resultat tun würden. Denn es sei eine enorm schwierige Frage, die sich mit dem Entscheid zwischen Abtreibung und einem Kind mit Trisomie stelle. Daher müssten die Frauen sehr gut informiert werden, betont Clauss.
Beratung muss verbessert werden
Diese Haltung vertritt auch Studienleiterin Brauer. Die Beratung sei auch eine Schaltstelle, die finanziell, personell und fachlich ausgebaut werden sollte. Auch im Hinblick darauf, dass das ungeborene Kind in den nächsten Jahren wahrscheinlich auf viel mehr Krankheiten getestet werden könne als heute.
Aber ganz wichtig sei schon vorher, dass es den Frauen überlassen werde, ob sie solche Tests überhaupt machen lassen wollten oder nicht. Hier dürfe kein Druck aufgebaut werden, sagt Clauss. Die Frauen müssten auch ein Recht auf Nichtwissen haben.
Warum sollte ein Kind mit Trisomie 21 weniger wert und schützenswert sein, als ein Kind mit einem bestimmten Geschlecht?
Uneinig hingegen waren sich die Autoren der Studie bei der Frage, ob der Arzt das Geschlecht des Kindes der Mutter vor der 12. Woche mitteilen darf oder nicht. Für die Gegner darf es nicht sein, dass ein Kind aufgrund des Geschlechts abgetrieben wird. Die Befürworter wollen das Recht der Mutter nicht einschränken.
Gesetzesrevision über genetische Untersuchungen steht an
Grundsätzlich einig sind sich die Studienmacher aber darin, dass der Gesetzgeber keine Listen ausarbeiten soll, die vorschreiben, was der Arzt aus den Tests mitteilen darf und was nicht. So würde das Gesetz bestimmen, was schützenswert sei und was nicht, sagt Brauer und stellt die Frage: «Warum sollte ein Kind mit Trisomie 21 weniger wert und schützenswert sein, als ein Kind mit einem bestimmten Geschlecht?»
Die Studienautoren hoffen nun, dass ihre Ratschläge in die politische Diskussion einfliessen. Denn voraussichtlich im nächsten Jahr befassen sich die eidgenössischen Räte mit der Revision des Gesetzes für genetische Untersuchungen beim Menschen.