In der Schweiz wird angestrengt nach einem System gesucht, das die Zuwanderung beschränkt, aber EU-Bürger nicht diskriminiert. Eine regionale Schutzklausel, wie sie der Kantone Tessin vorschlägt, könnte in einer Grenzregion wohl zuerst funktionieren.
Dieses Modell skizziert Boris Zürcher von der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) folgendermassen: «Ein Arbeitgeber, der eine ausländische Arbeitskraft anheuert, muss zunächst eine Meldung an das RAV machen.»
Das RAV kontrolliere dann, ob es auf dem Arbeitsmarkt jemanden gebe, der die Stelle besetzen könne. «Trifft keine Meldung ein, darf der betreffende Arbeitgeber die ausländische Person einstellen», erklärt Zürcher.
Ein Bürokratie-Monster?
Das ist aber kein Modell, wie es sich das Seco wünscht, denn es ist bürokratisch und schwerfällig. Aber, so die Hoffnung, vielleicht liesse sich die EU für ein solches regionales Modell gewinnen. Denn gerade in den Grenzregionen – das zeigt der neuste Zuwanderungs-Bericht des Seco – bekommen Grenzgänger zum Teil niedrigere Löhne als Schweizer mit demselben Jobprofil.
Auf die Löhne der Schweizer wirke sich das nicht aus, sagt Zürcher. Zudem würden sie auch nicht aus dem Arbeitsmarkt verdrängt: «Wir beobachten das aber sehr aufmerksam. Sollte dies so zutreffen, wäre das in der Tat ein Problem.»
Gewerkschaften interessiert
Der Gewerkschaftsbund (SGB) sieht das ganz anders. Chefökonom Daniel Lampart sagt über den neusten Seco-Bericht zur Personenfreizügigkeit: «Das Seco hat sehr allgemeine Beobachtungen für die ganze Wirtschaft angestellt. Stattdessen müsste es einzelne Branchen und Berufe in den Blick nehmen – dann sieht man die Probleme.»
Lohndumping gebe es etwa im Gartenbau, im Detailhandel und neu auch in der Industrie. Mehr Gesamtarbeitsverträge, mehr Kontrollen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das sind die Rezepte der Gewerkschaften.
Wenn es um die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative geht, dann sprudeln weniger Ideen. Aber im zentralen Punkt ist Lampart einverstanden mit einer regionalen Schutzklausel: «Wir müssen schauen, dass Firmen, die ausländische Arbeitskräfte anstellen, dies nur tun, wenn sie im Inland keine finden.»
Arbeitgeber senden positive Signale
Auch die Arbeitgeber wären dafür zu haben, sagt Roland A. Müller, Direktor des Arbeitgeberverbands. Sobald man sich aber die Details ansieht, gehen die Meinungen auseinander: Wie misst man zum Beispiel, ob sich die Zuwanderung negativ auf die Arbeitsbedingungen auswirkt?
Eine feste Arbeitslosenquote könne nicht der Indikator sein, sagt Müller, denn in der Gastronomie etwa sei die Arbeitslosigkeit seit jeher grösser als in anderen Branchen: «Hier kann nicht nur die Arbeitslosenquote ausschlaggebend sein, sondern eine Veränderung in der Quote muss gegeben sein.»
Die Frist im Nacken
Bei der Ausarbeitung dieser regionalen Schutzklausel müsse man sehr sorgfältig vorgehen, denn es dürfe nicht sein, dass bestimmte Branchen ein schärferes Regime auferlegt bekämen als andere, so Müller. Nur wollen die Pharmaindustrie, die Bauern und Hoteliers alle weiterhin Zuwanderer oder Grenzgänger einstellen können – und trotzdem sollen die Zuwanderungs-Zahlen sinken.
Ein Widerspruch, der sich kaum lösen lässt. Ist eine Lösung überhaupt möglich? Müller windet sich: «Es ist nicht auszuschliessen, dass wir eine Lösung finden werden.» Ob diese Lösung aber bis zur vorgegebenen Frist, dem 9. Februar 2017, auf dem Tisch liege, müsse vorerst offen bleiben.