SRF News: Die FDP wählt heute eine neue Parteipräsidentin. Vier Jahre lange hat Philipp Müller die Partei geleitet. Wo steht die FDP heute?
Georg Lutz: Die Partei ist sicher besser aufgestellt als vor vier Jahren – als Philipp Müller dieses Amt übernahm. Er hat es geschafft der Partei wieder etwas Siegesmut einzuhauchen. Er hat es auch geschafft, dass die FDP nicht mehr als Juniorpartnerin der SVP wahrgenommen wird. Und Müller hat den Freisinn auch vom Image befreit, nur die Reichen und Superreichen zu vertreten. Es ist ihm gelungen, die FDP wieder als Volkspartei zu positionieren.
Petra Gössi wird heute zur neuen Parteipräsidentin der FDP gewählt. Ist das für sie eine gute Ausgangslage?
Petra Gössi bleibt auf jeden Fall diese ganze Krisenbewältigung erspart, um die sich Philipp Müller noch kümmern musste. Sie kann eine Partei übernehmen, die wieder stärker im Aufwind ist und verschiedene Wahlen gewonnen hat. Diese Situation hat es für die FDP seit vielen Jahren nicht gegeben. Für den Start von Petra Gössi ist das eine gute Ausgangslage.
Petra Gössi ist deutlich am rechtskonservativen Flügel der FDP positioniert. Auch in gesellschaftlichen Fragen ist sie wesentlich konservativer als viele andere in der Partei. Kann diese Positionierung zu einem Problem werden?
Das kommt darauf an, wie sie sich als Parteipräsidentin verhält. In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle von Parteipräsidentinnen und –präsidenten, die zuvor nicht immer strikt auf Parteilinie politisiert hatten, aber im neuen Amt einen Rollenwechsel schafften und zu Teamplayern wurden. Auch Philipp Müller ist so ein Beispiel. Man wird sehen, ob es Petra Gössi gelingen wird, die eigene Meinung auch mal hintanstehen zu lassen, um die verschiedenen Parteiflügel der FDP zusammenzuhalten und die Partei erfolgreich zu führen.
Die FDP ist keine Nischenpartei, sondern eine Volkspartei.
Sie müsste also gelegentlich auch an den gesellschaftsliberalen Flügel der FDP ein positives Signal aussenden?
Das ist unabdingbar. Die FDP ist keine Nischenpartei, sondern eine Volkspartei, in der es gerade bei gesellschaftspolitischen Fragen unterschiedliche Meinungen geben kann. Diesen muss eine Parteipräsidentin auch einen gewissen Raum lassen. Sonst riskiert sie, dass es zunehmend interne Kritik gibt. So etwas landet schnell in den Medien und bald steht die Partei in der Öffentlichkeit als zerstritten da.
Petra Gössi selber hat den Ruf einer strikten Finanz- und Sparpolitikerin und gilt als wirtschafts- und unternehmerfreundlich. Kann diese Positionierung der FDP wiederum helfen, ihr Profil im traditionellen Kernthema zu stärken?
Der FDP ist es bereits in den letzten vier Jahren gelungen wieder als kompetente Wirtschaftspartei dazustehen. Das ist zentral für den Erfolg des Freisinns. Die FDP muss sich präsentieren als Partei, die sich um Wirtschaftsthemen kümmert und Lösungen anbietet. Daran wird auch die neue Parteipräsidentin versuchen anzuknüpfen.
Mit Albert Rösti und Gerhard Pfister erhalten bald auch die SVP und die CVP neue Parteipräsidenten. Inwiefern ist das eine Chance für Petra Gössi als künftige FDP-Parteipräsidentin?
Es ist sicher eine Chance, dass die Zusammenarbeit bei gewissen Themen auf Feld eins beginnen kann – weitgehend unbelastet von Streitigkeiten in der Vergangenheit. Man darf das aber auch nicht überbewerten. FDP, SVP und CVP arbeiten zwar in einigen Politikfeldern zusammen, sie sind aber gleichzeitig harte Konkurrenten im Kampf um Wählerstimmen. Jede dieser Parteien muss gelegentlich versuchen, sich auf Kosten der jeweils anderen Parteien zu profilieren. Um dieses Doppelspiel wird auch Petra Gössi nicht herumkommen.
Das Gespräch führte Elmar Plozza.