Zwei rumänische Einbrecher dringen am 3. Juni 2013 kurz vor 4 Uhr morgens in ein Uhrengeschäft in Luzern ein. Bei der Luzerner Polizei geht ein stiller Alarm los. Als die erste Patrouille am Tatort eintrifft, flüchtet der eine der beiden Einbrecher, ein 25-jähriger Rumäne zurück ins Gebäude. Dort wird er festgenommen. So die Version der Luzerner Polizei. Recherchen der «Rundschau» zeigen nun, was sich tatsächlich zugetragen hat. Ein 29-jähriger Elitepolizist der Interventionseinheit SPID (ständiger Präsenz- und Interventionsdienst) schlägt auf den wehrlos am Boden liegenden Mann ohne ersichtlichen Grund mit fünf Fusstritten auf dessen Kopf ein. Das Opfer erleidet Prellungen, Blutergüsse und Schürfungen am Kopf.
Dieser jüngste Gewaltübergriff ist einer von 22 Vorfällen, die der unabhängige Administrativuntersuchungsleiter und Berner Alt-Oberrichter Jürg Sollberger im Auftrag von Regierungsrätin Yvonne Schärli gegenwärtig untersucht. Für Sollberger ist klar, dass solch ein Verhalten eines Elitepolizisten nicht tolerierbar ist. Gegenüber der «Rundschau» erklärt er: «Sobald der sich ergeben hat, ist jede Gewalt, die gegen den Betreffenden ausgeübt wird, nicht mehr im Rahmen des Zulässigen und damit nicht zu akzeptieren.»
Überwachungskamera filmt Gewaltexzess
Der fehlbare Polizist versetzt dem Opfer die Fusstritte ohne zu realisieren, dass eine Überwachungskamera im Gebäude seine Tat dokumentiert. Die Luzerner Polizei stellt im Rahmen der Ermittlungen die Videobeweise sicher und leitet sie an die Staatsanwaltschaft weiter. Gegen den Elitepolizisten läuft seit Anfang Juni ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch und Körperverletzung.
Fragwürdiger Umgang mit Beweismaterial
Trotz der erdrückenden Beweislage hat Polizeikommandant Beat Hensler offenbar davon abgesehen, per sofort personalrechtliche Massnahmen gegen den fehlbaren SPID-Polizisten zu ergreifen. Erst am 15. Juli suspendiert er ihn vom Dienst.
Administrativuntersuchungsleiter Jürg Sollberger kritisiert gegenüber der «Rundschau» dieses Zögern: Massnahmen seien sofort zu treffen, «wenn man die Erkenntnis hat, dass hier etwas nicht gut war.»
Doch statt den fehlbaren Elitepolizisten unverzüglich zu suspendieren, zeigt Kommandant Beat Hensler die Überwachungsaufnahmen am 24. Juni Mitgliedern seiner Sondereinheit. Diese Videovorführung verstösst einerseits gegen die Geheimhaltungspflicht im internen Dienstbefehl 4.01.07 «Ermittlungen gegen Angehörige der Luzerner Polizei», zudem erfolgt diese Aktion während des laufenden Strafverfahrens, ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft.
Kein generelles Führungsproblem
«Das ist nicht der Standard der Luzerner Polizei», sagte Beat Hensler in der «Rundschau». Der Polizist wurde zwar erst Mitte Juli offiziell vom Dienst suspendiert, aber bereits zuvor wurde der Mann vom Frontdienst dispensiert, so Hensler weiter. Von einem generellen Führungsproblem innerhalb des Korps will der Kommandant nichts wissen.
«Für mich ist die Situation belastend, aber die Regierung hat das Vertrauen ausgesprochen.» So etwas dürfe nicht mehr passieren. Als weitere Konsequenz will Hensler verstärkt auf die Umsetzung der geltenden Richtlinien setzen.