«Am Sonntag hat die ganze Schweiz abgestimmt. In jeder der 3000 Gemeinden unseres Landes sind die Bürger aufgerufen worden, um in aller Freiheit ihre Ansicht zu äussern.» Ganz so pathetisch wie 1941 in der Filmwochenschau ist es heute nicht mehr.
«Inflationäre Nutzung der Rechte»
Und doch: als unlängst die BDP einen Vorstoss im Parlament lancierte, um die Unterschriftenzahl für Initiativen zu erhöhen, kam die Reaktion sofort. Von Beschneidung der Volksrechte war mitunter die Rede.
BDP-Präsident Martin Landolt hält dem entgegen: «Wir sehen Rechte auch gefährdet, wenn man sie inflationär zu benutzen beginnt. Wir sind jetzt in einer Phase, wo wir vierteljährlich drei bis fünf Vorlagen haben und ich glaube nicht, dass das im Sinn des Erfinders war, und dass dies der Bedeutung einer Volksinitiative Rechnung trägt.»
Massivere Hürden in der Vergangenheit
Die Bürgerlich-Demokratische Partei schlägt vor, dass in Zukunft 150'000 bis 250'000 Unterschriften für eine Volksinitiative nötig sind – anstatt wie bisher 100'000.
Die Gefahr, dass kleine Organisationen dann keine Initiativen mehr lancieren können, sieht Landolt nicht: «Ich bin davon überzeugt, dass das trotzdem möglich sein wird, wenn das Thema gut ist, wenn das Thema als wichtig erachtet wird. Wir hatten in früheren Zeiten bei weniger Stimmberechtigten entsprechend massivere Hürden als heute, und es hat trotzdem funktioniert.»
Früher, also vor 125 Jahren, brauchte es fast acht Prozent der Stimmberechtigten, um eine Initiative zu lancieren. Heute reicht es, wenn zwei Prozent unterschreiben. Diesen Vergleich könne man so nicht machen, sagt Staatsrechtler Andreas Glaser: «Wenn die Stimmberechtigten sich zur Urne begaben, dann konnte man bei dieser Gelegenheit auch Unterschriften sammeln. Heutzutage, da ganz überwiegend brieflich abgestimmt wird, ist das viel schwieriger geworden.»
Stimmberechtigte nicht überfordert
Dass zu viele Initiativen die Stimmberechtigten überfordern, müsse nicht sein, findet Glaser: «Bei sinkenden Wahlbeteiligungen, der Klage über Politikverdrossenheit, Stimmabstinenz und so weiter kann man sagen, dass das bei der Volksinitiative offensichtlich nicht der Fall ist. Die Menschen machen davon Gebrauch, sie lancieren sie und unterschreiben sie.»
Und das wohl auch in Zukunft fleissig. Denn alle Bundesratsparteien wollen die Unterschriftenzahl beibehalten. Auch die Bevölkerung war bei einer repräsentativen Umfrage gegen eine Erhöhung. Und das ist entscheidend, denn: «In der Schweizerischen Demokratie ist das Volk sein eigener Souverän und bestimmt selbst über wichtige Fragen.»