1515 kämpften in Marignano in Norditalien Tausende Eidgenossen gegen Frankreich um das Herzogtum Mailand. Die Schlacht endete für die Eidgenossen mit einer Niederlage – viele sehen darin die Neutralität der Schweiz begründet; Marignano wurde zum Mythos. Anlässlich der Feierlichkeiten in Norditalien warnte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga jedoch vor einem Missbrauch der Geschichte.
«Bei aller Hingabe, mit der wir die Geschichte beschwören, müssen wir aufpassen, dass wir nicht in der Vergangenheit gefangen bleiben», sagte Sommaruga. Das Schicksal der heutigen Schweiz sei nicht auf dem Schlachtfeld von Marignano besiegelt worden.
Stimmzettel statt Schlachtfelder
Für viele wichtige Etappen auf dem Weg zur heutigen Schweiz – wie dem Ausbau der Volksrechte, der Emanzipation der Frauen, der Schaffung der Sozialwerke, den Aufbau des Rechtsstaates oder der internationalen Einbettung der Schweiz – habe es Kämpfe gebraucht, aber es gebe keine Mythen und keine Erinnerungsorte. Denn diese Meilensteine seien nicht auf Schlachtfeldern erkämpft worden, sondern mit Argumenten und Stimmzetteln.
Auch die Schweizer Neutralität habe ihren Ursprung nicht auf diesen Feldern. «Aber nutzen wir die politischen Debatten rund um Marignano, um über uns nachzudenken», sagte Sommaruga. So könne die Erinnerung an die Schlacht von Marignano Anlass zu Diskussionen geben, wie die Schweiz ihre Neutralitätspolitik im 21. Jahrhundert interpretieren soll. «Es ist an uns, die Zukunft zu gestalten – das ist die Lehre, die wir aus der Vergangenheit ziehen können.»
Ursprung der Neutralität – oder nicht?
Die Schlacht bei Marignano fand am 13. und 14. September 1515 vor den Toren Mailands im heutigen Melegnano statt und endete mit einer herben Niederlage der Schweizer. Rund 12'000 Eidgenossen kamen bei den Kämpfen gegen die Heere des französischen Königs und der Republik Venedig ums Leben.
Die «Schlacht der Giganten» sorgt in jüngster Zeit immer wieder für Diskussionen. Während die einen Marignano als Wendepunkt in der Geschichte der Eidgenossenschaft, als Abwendung von der Grossmachtpolitik und Beginn der Neutralität deuten, kämpfen andere gegen eine nationalkonservative Vereinnahmung des «Mythos von Marignano».