Rund die Hälfte aller Flüchtlinge, die aktuell in die Schweiz einreisen, dürften für immer hier bleiben. Es sind anerkannte Flüchtlinge oder sogenannt vorläufig aufgenommene Personen. Sie müssen in unsere Gesellschaft und in unsere Arbeitswelt integriert werden.
Die Integration ist eine Herkules-Aufgabe, welche den Schweizer Gemeinden Sorgen bereitet. Denn sie wissen: Funktioniert die Integration nicht, werden sie nach spätestens sieben Jahren finanziell für diese Personen aufkommen müssen. Integration ist deshalb das Zauberwort der Stunde, wie das Beispiel der Berner Gemeinde Spiez zeigt.
Integration schon im Asylheim
60 Leute leben im Durchgangszentrum Freyberg oberhalb von Spiez. Vor allem junge Männer. Sechs bis neun Monate verbringen sie hier. Dann werden sie auf die Gemeinden verteilt. Doch die Integration beginnt schon im kantonalen Asylheim. Mit Deutschunterricht und Arbeitseinsätzen.
«Wir beschäftigen die Flüchtlinge in gemeinnützigen Programmen», sagt Barbara Jost, Leiterin vom Zentrum Freyberg. «Zum Teil helfen sie im Werkhof in Spiez. Das sind einfache Arbeiten, Äste aufsammeln, Schwemmholz aus dem See holen. Momentan haben wir auch im Rebberg Flüchtlinge.»
So sieht man oberhalb des Thunersees Ungewöhnliches: Flüchtlinge im Rebberg. Für drei Franken pro Stunde pflegen sie die Landschaft. Arbeit, die sonst niemand machen würde, sagt Betriebsleiterin Ursula Irion: «Die Flüchtlinge sind da, das ist eine Realität. Jene, die bleiben, müssen wir möglichst schnell integrieren. Über die Arbeit lernt man eine Kultur kennen – die Flüchtlinge unsere und wir ihre.»
Zuerst die Sprache
In der bürgerlich dominierten Gemeinde hat SP-Gemeindepräsident Franz Arnold das Sagen. Er hat vor allem ein Ziel: «Wir müssen die Flüchtlinge frühzeitig integrieren. Wenn wir das nicht machen, laufen wir Gefahr, dass sie über kurz oder lang in der Sozialhilfe landen und dort sind nur noch schwer herauszubringen.»
Damit es nicht so weit kommt, werden im Berufsbildungszentrum IDM in Spiez die Grundsteine gelegt. Vier Integrations-Klassen mit Flüchtlingen zwischen 15 und 22 Jahren werden in diesem Schulhaus für die Arbeitswelt fit gemacht. Das ist ein schwieriges Unterfangen.
«Ziel ist die berufliche Integration», sagt Jürg Frei vom Berufsbildungszentrum Spiez. «Aber in der Regel brauchen sie länger als ein Jahr. Vielfach wird ein zweites in der Integrationsklasse, allenfalls ein drittes Jahr mit einer Vorlehre angehängt. Nach drei Jahren hoffen wir, dass die Flüchtlinge in eine Attestlehre einsteigen können.»
Betriebe müssen mithelfen
Für die Arbeitswelt fit gemacht werden die Flüchtlinge aber nicht nur im Schulzimmer, sondern auch in den Betrieben. Mit einem Mix aus Schule und Praxis-Erfahrung will Spiez die Chancen der Flüchtlinge auf eine Lehrstelle erhöhen. Doch das funktioniert nur, wenn auch die Wirtschaft mitzieht. Da happert es zum Teil noch.
«Die Gewerbetreibenden sind nicht auf die Flüchtlinge vorbereitet», sagt Sabin Ammann vom Berufsbildungszentrum Spiez. Sie hätten teilweise Hemmungen vor schwarzen Leuten oder andern Ausländern, die nicht berndeutsch könnten. «Damit werden wir dann konfrontiert, wenn unsere Lernenden mit negativen Erlebnissen zurückkommen.»
Tarak Ali aus Syrien hat diese Hürde schon gepackt. Er lebt seit 2002 in der Schweiz, besitzt einen Coiffeur-Laden und führt seit kurzem auch ein Restaurant in Spiez. Er kennt den Schlüssel zum beruflichen Erfolg: «Die Flüchtlinge müssen in die Schule gehen und die Sprache lernen. Ohne die Sprache geht nichts. Sonst wird es schwierig bei der Arbeit, alles wird schwierig.»