Das Wichtigste in Kürze:
- 5000 Personen wurden in den Jahren 2010, 2012 und 2014 befragt.
- Trotz Schwankungen kann man sagen: 10 Prozent haben eine rassistische Einstellung.
- Die Anti-Rassismus-Kommission ist skeptisch, ob die Resultate stimmen.
- Die zuständige Bundesstelle sieht kein Problem mit Rassismus in der Schweiz.
Jeder Zehnte mit rassistischer Einstellung
Spielt es für Sie eine Rolle, welche Nationalität, Religion oder Hautfarbe Ihre Nachbarn haben? Oder welche Sprache sie sprechen? Mit dieser Frage mass das Forschungsinstitut gfs.bern rassistische Einstellungen in der Schweizer Bevölkerung. Die Befragungen im Auftrag des Bundes wurden von 2010 bis 2014 drei Mal durchgeführt. Insgesamt füllten 5000 Personen die Fragebogen aus.
«Wir haben zehn Prozent mit rassistischen Einstellungen», sagt gfs-Geschäftsführer Claude Longchamp zum Ergebnis der Studie. Ein Teil der restlichen 90 Prozent der Menschen in der Schweiz übe «vielleicht ein bisschen Kritik», dies aber nicht systematisch. Deshalb könnten sie nicht als rassistisch bezeichnet werden.
Nachbarschaft spielt eine Rolle
Die Gründe für die rassistische Einstellung bei 10 Prozent der Bevölkerung seien unterschiedlich, so Longchamp weiter. Der wichtigste Anlass liege aber in der unmittelbaren Nachbarschaft. «Vor allem dann, wenn man mit Menschen zusammenwohnt, die verschiedener Konfession, Hautfarbe und Sprache sind, nimmt diese Problematisierung zu.»
Eine Rolle spielten auch Kollegen anderer Nationalitäten am Arbeitsplatz sowie eigene Erfahrungen, etwa Gewalt. Insgesamt seien rassistische oder speziell muslimfeindliche und antisemitische Einstellungen zwischen 2010 und 2014 tendenziell zurückgegangen, stellt der Studienleiter fest.
«Rassismus nimmt nicht einfach ab»
Beim letzten Punkt meldet die Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Martine Brunschig Graf, Skepsis an: Die Fakten und Vorkommnisse zeigten etwas anderes. Auch nähmen rassistische Einstellungen nicht einfach ab. Das Ergebnis einer Untersuchung hänge zudem stark davon ab, wann man den Rassismus messe, betont Brunschwig Graf.
Welchen Einfluss der Umfragezeitpunkt haben kann, zeigen die Ergebnisse zur Muslimfeindlichkeit: Im Frühling 2010 mass gfs.bern einen Bevölkerungsanteil von 45 Prozent mit stereotypen Einstellungen gegenüber Muslimen. Das sind Vorurteile wie: Muslime unterdrückten Frauen generell, respektierten Menschenrechte nicht oder seien allgemein aggressiv.
Die Zahl ging auf 19 Prozent zurück im Frühling 2014. Longchamp selber erklärt den hohen Wert von 2010 mit der Minarett-Abstimmung wenige Monate zuvor, welche das Klima gegenüber Muslimen zum Umfragezeitpunkt angeheizt habe.
Wer gibt schon zu, ein Rassist zu sein?
Longchamp gesteht ein, dass es für die Befragten heikel ist, eine rassistische Meinung in einer Studie zu äussern. Trotzdem liessen sich rassistische Einstellungen messen: «Wir haben eine indirekte Methode gewählt», sagt er. In der Befragung seien Situationen beschrieben und dann die Reaktionen der Befragten darauf getestet worden. Dies wiederum lasse einen Schluss auf die rassistische Einstellung zu. Longchamp betont auch, dass sich die Resultate von jenen in anderen Ländern nicht gross unterschieden.
Der Bund sieht die Untersuchung als eine Art Barometer, das zeigt, wo sich Problemzonen im Zusammenleben zeigen. Die aktuellen Ergebnisse gäben aber keinen Grund zur Sorge, sagt der Leiter der Fachstelle für Rassismusbekämpfung des Bundes, Michele Galizia. «Wir haben keine skandalös schlechten Werte in der Schweiz.» Die Gesellschaft sei gesund und funktionsfähig.
Trotzdem werden die Befragungen regelmässig fortgeführt: Der Bund wird in Zukunft alle zwei Jahre erheben, ob und wo sich in der Schweiz rassistische Tendenzen zeigen.