Toni Brunner wittert eine Verschwörung. Der Bundesrat und die anderen Parteien wollten gar nicht ernsthaft mit der EU über die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative verhandeln, so der SVP-Parteipräsident. Bundesrat und die anderen Parteien wollten in Brüssel bloss eine Abfuhr provozieren; und dann das Volk noch einmal über die Zuwanderung abstimmen lassen.
Dagegen müsse sich die SVP wehren, betont Brunner. Deshalb droht die SVP-Parteispitze mit einer Initiative für die Kündigung des Abkommens über den freien Personenverkehr. Dies, obschon die anderen Parteien vehement bestreiten, dass sie auf eine Abfuhr in Brüssel hinarbeiten. So sagt CVP-Präsident Christophe Darbelley zu Brunners Vorwürfen: «Das stimmt überhaupt nicht.» Trotzdem hält die SVP an ihrer Darstellung fest.
Personenfreizügigkeit aufkünden
Sie bringt die Kündigung des freien Personenverkehrs in Form einer Durchsetzungsinitiative ins Spiel. Dies, obwohl ihre vom Volk angenommene Zuwanderungsinitiative eine Kündigung des Abkommens gar nicht verlangt.
SVP-Nationalrat Felix Müri gehört zur Parteileitung. Er gesteht ein, dass von einer Kündigung im Abstimmungskampf kaum die Rede war. «An Podien habe ich immer gesagt, dass ich nicht der Meinung sei, dass man die Personenfreizügigkeit kündigen muss», sagt er.
Man müsse eine Lösung finden, damit die Schweiz die Zuwanderung wieder selber regulieren könne. Eine Kündigung der Personenfreizügigkeit habe aber nicht im Raum gestanden. Es gehe jetzt aber um Taktik, deshalb müsse man reagieren. Müri lässt durchblicken, dass auch er nicht nur begeistert ist vom Kurs seiner Parteileitung.
Gestern Abend diskutierte auch die SVP-Fraktion im Bundeshaus über das Thema. Die Fraktion sei sich nicht völlig einig, sagt Müri. Klar sei aber, dass eine gewisse Flexibiliät nötig sei, «um zu reagieren, wenn man merkt, dass auf der anderen Seite die Spielregeln nicht eingehalten werden».
Mit der EU zusammen eine Lösung finden
Zu den Skeptikern gehört auch SVP-Nationalrat Hansruedi Wandfluh. Er befürchtet, dass mit der Kündigung des freien Personenverkehrs die ganzen Bilateralen I scheitern. «Wenn das die Guillotine-Klausel auslöst, gibt das für die Wirtschaft sehr grosse Probleme.» Die Bilateralen Verträge seien für die Schweiz sehr wichtig. «Es geht darum, dass man mit der EU zusammen eine gute Lösung findet», sagt er. Diese müsse verträglich sein mit den Bestimmungen in der Verfassung.
SVP-Nationalrat Heinz Brand hatte vor wenigen Tagen noch ein Umsetzungskonzept für die Zuwanderungsinitiative vorgestellt. Nun sagt er, die Taktik, mit der Kündigung zu drohen sei richtig. Aber für ihn sei zum jetzigen Zeitpunkt offen, ob er für oder gegen eine Kündigung der Personenfreizügigkeit wäre, falls er sich denn entscheiden muss.
Das letzte Wort ist also nicht gesprochen. In gut zwei Wochen wird der Bundesrat über konkrete Ideen für die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative diskutieren. Und schon nächste Woche will die Schweiz in Brüssel offiziell den Wunsch deponieren, mit der EU über eine neue Form des freien Personenverkehrs zu diskutieren.