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Der Lac de Mauvoisin und sein 250 Meter hoher Staudamm.
Legende: Speicherbecken der Walliser Alpen: Der Lac de Mauvoisin und sein 250 Meter hoher Staudamm. Keystone

Schweiz Technik verdrängt Natur im Alpenraum

Der Klimawandel lässt die Gletscher schmelzen. Also brauche es neue Wasserspeicher, meint der ETH-Rat. Die Ingenieure präsentieren eine Lösung: die Technik. Die diene der Stromproduktion, verringere Umweltgefahren und biete den Menschen neue Freizeitaktivitäten.

Mehr Technik und weniger Natur: Infolge des Klimawandels verändert sich der Alpenraum. Ingenieure stellen sich auf diese sich wandelnden Rahmenbedingungen ein. Das ist heute an der Jahresmedienkonferenz des ETH-Rats deutlich geworden.

Konrad Steffen, Direktor der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), sagt laut Communiqué: «Mit dem Klimawandel nimmt die Rolle der Gletscher als Wasserspeicher und sommerliche Wasserquelle ab». Dies zeigten Simulationen, die bis ins Jahr 2099 reichen.

«So attraktiv wie ein natürlicher See»

Abhilfe sollen Stauseen schaffen. Für Anton Schleiss, Direktor des Labors für Wasserbau an der ETH Lausanne (EPFL), sind Speicherseen und Staumauern nicht nur Zweckbauten, sondern Kunstwerke: Zehntausende Menschen würden Stauseen jedes Jahr besuchen. Das würde zeigen: «Ein Stausee kann so attraktiv sein wie ein natürlicher See.»

In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden laut Schleiss rund 600 solcher Seen entstehen – nämlich dort, wo sich die Gletscher wegen des wärmeren Klimas zurückbilden. Nutzen wolle man ungefähr ein Dutzend dieser Seen.

20 bis 40 Milliarden Franken

Ihre Hauptaufgabe: Riesige Menge an Wasser speichern. Bis jetzt haben Gletscher Wasser im Winter gespeichert und im Sommer ziemlich kontrolliert abgegeben. Diese Ausgleichsfunktion müssen in Zukunft vermehrt vom Menschen gebaute Speicher übernehmen.

Das sind Grossprojekte. Entsprechende Geldmengen werden fällig. Schleiss sagt: «In den Ausbau und die Erweiterung dieser Speicherkraftwerke müssen in den nächsten 30 bis 40 Jahren zwischen 20 und 40 Milliarden Franken investiert werden.»

Das Ziel der Investitionen ist neben dem Speichern von Wassermassen auch, den hohen Anteil der Stromproduktion durch Wasserkraft in der Schweiz zu erhalten. Dazu könnten bestehende Staumauern erhöht, Stauseen vergrössert, Turbinen- und Pumpenleistungen erhöht sowie neue Ausgleichsbecken und Triebwassersysteme geschaffen werden.

Bootsausflüge statt Gletscherwanderungen

Das würde laut Ingenieur Schleiss nicht nur der Stromproduktion dienen, sondern auch Umweltgefahren eindämmen. Wenn sich die Gletscher zurückbilden und der Permafrost taut, dann drohen Felsstürze und Flutwellen. Diese müssten durch höhere Mauern zurückgehalten werden, damit sie nicht überschwappen würden.

Auch hier greifen die Ingenieure also auf technische Lösungen für Umweltprobleme zurück. Der Klimawandel wird den Alpenraum verändern. Eine Horrorvorstellung für viele Menschen. Für Schleiss ist das nicht unbedingt schlecht: «Die künftigen Generationen werde es schätzen, wenn sie sich in sehr heissen Sommermonaten an natürlichen und künstlichen Seen ausruhen können.»

Bootsausflüge statt Gletscherwanderungen: Vielleicht schon bald das alpine Freizeitvergnügen.

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