Es gibt Autofahrerinnen und Autofahrer, die heute für ihren Arbeitsweg Zehntausende von Franken vom steuerbaren Einkommen abziehen. Das bewirkt dann meist eine deutlich niedrigere Steuerrechnung. Ungerecht findet das SP-Mann Michael Aebersold aus dem Kanton Bern: «Es ist eine Ungleichbehandlung. Wenn ich mit dem öffentlichen Verkehr oder mit dem Velo unterwegs bin, kann ich viel weniger abziehen.»
Maximal 3‘600 Franken können für ein Generalabonnement Zweiter Klasse zum Beispiel abgezogen werden. Wer weit Auto fährt, wird also steuerlich belohnt und wer den öffentlichen Verkehr nutzt oder zu Fuss geht, wird benachteiligt. Deshalb will Aebersold künftig, so wie es das Volk im letzten Jahr auf Bundesebene beschlossen hat, den Pendlerabzug auf 3000 Franken beschränken. «Das gibt keine falschen Anreize, bewusst auf das Auto zu setzen, sondern umzusteigen auf den öffentlichen Verkehr. Das ist unsere Absicht und wir wollen das im Kanton Bern auch durchsetzen», sagt Aebersold.
Weniger Zersiedelung wegen tieferem Abzug?
Die Befürworter dieses niedrigen Pendlerabzugs erhoffen sich zudem, so etwas gegen die starke Zersiedelung der Schweiz tun. Die Menschen sollten einen Anreiz haben, näher beim Arbeitsort zu wohnen und nicht mehr stundenlang zur Arbeit zu fahren.
Im Kanton Sankt Gallen findet SVP-Kantonsrat Linus Thalmann diese Argumentation völlig daneben. «Die Leute sollen da wohnen, wo sie wollen, wo sie die Möglichkeit haben. Die Freiheit soll jeder haben», sagt er.
Auch im Kanton Sankt Gallen soll der Pendlerabzug gesenkt werden und zwar auf das Niveau eines Zweit-Klasse-Generalabonnements. Insgesamt würden so etwa 30 Millionen Franken mehr in die Kantonskasse fliessen. Mehrere zehntausend Steuerpflichtig im Kanton Sankt Gallen müssten mehr bezahlen, vor allem in den Randregionen, sagen Kritiker wie Thalmann. «Gerade bei uns in der Region Toggenburg ist man auf das Auto vielfach angewiesen.»
Die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr sei nicht so gut wie in den Städten. Zudem gehe es den Kantonen doch vor allem darum, ihre maroden Staatskassen aufzubessern. Diese Argumente finden Gehör. Innert Kürze haben die Gegner einer Senkung des Pendlerabzugs die nötigen Stimmen gesammelt. Jetzt stimmt im Kanton Sankt Gallen die Bevölkerung über den Abzug ab.
Aufs Auto angewiesen
Aber es gibt auch Bedenken von links. Nicht grundsätzlich gegen eine Senkung, aber gegen eine zu starke Senkung des Pendlerabzuges. Daniel Hügli zum Beispiel, SP-Politiker und Sekretär bei der Gewerkschaft Unia, gibt zu bedenken, dass viele Arbeitnehmer schlicht auf das Auto angewiesen seien. «Es gibt zum Beispiel Postangestellte, deren Arbeitsort verlagert wurde, oder es gibt Lokführer, die die ersten und die letzten Züge fahren müssen.»
Diese Beispiele waren für ihn Grund genug, heute im Berner Kantonsparlament zusammen mit der bürgerlichen Mehrheit für eine weniger starke Absenkung des Pendlerabzugs auf neu 6700 Franken zu stimmen. Das sind schlechte Nachrichten für die marode Kantonskasse, gute hingegen für die Pendler im Kanton Bern. In den meisten anderen Kantonen steht diese Debatte erst noch an.