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Schweiz Trotz der vielen Ferien – Lehrer sind gestresster als Polizisten

Die Zahlen lassen aufhorchen: Jeder zehnte Lehrer ist von einem Burn-out bedroht. Das zeigt eine neue Studie der Stadt Zürich. Darum verlangt der Schweizer Lehrerverband an seiner Delegiertenversammlung, es müsse stärker auf die Gesundheit der Lehrer geachtet werden. Zu Recht, sagen Fachleute.

Ein Lehrer steht vor seiner Klasse.
Legende: Die Lehrer sind die Seismographen einer Gesellschaft: bei Veränderungen schlagen sie aus. Keystone

Lehrer haben 14 Wochen Ferien im Jahr und einen guten Lohn – die sollen also nicht jammern. So eine weit verbreitete Meinung. Doch dieses Bild trüge, sagt Präventivmediziner Daniel Frey. Er befragte alle Angestellten der Stadtzürcher Verwaltung – nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer –, ob sie sich nach der Arbeit ausgelaugt fühlten.

Jeder fünfte Lehrer fühlt sich ausgelaugt, jeder zehnte ist von einem Burn-out bedroht. Das ist schlecht, aber nicht nur für die Lehrer selber, sagt Daniel Frey, der jahrelang Direktor war der Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich. Wenn Lehrer angeschlagen seien, dann wirke sich das negativ auf die Schulkinder aus.

«Lehrer, die ausgebrannt sind, laufen Gefahr, dass sie zynisch werden, dass sie nicht mehr auf das Kind achten, dass sie sich abkapseln und nicht mehr im Team mitmachen.» Das seien schlechte Voraussetzungen für ein gutes Schulklima, so Frey.

Es gibt viele Gründe

Im Kanton Luzern melden sich jedes Jahr mehrere hundert Lehrpersonen bei der Beratungsstelle für Lehrer wegen eines Problems – also fast jede zehnte Lehrperson. Aber was sind die Gründe für die Gesundheitsprobleme vieler Lehrer?

Für Barbara Zumstein, Leiterin der Beratungsstelle für Lehrer des Kantons Luzern, ist der Hauptgrund, dass sich die Schule über die Jahre stark verändert hat: dauernde Reformen, mehr Sitzungen, neue Unterrichtsformen – das koste viel Kraft. Und dabei sei Lehrer – im Unterschied zu einem Bürojob – sowieso schon ein Beruf, für den es viel Energie brauche, sonst entstehen schnell Disziplinprobleme.

Wer nun darauf hinweist, dass die Lehrer ja zwischen jeder Lektion eine Pause hätten, der verkenne die aktuelle Situation: Lehrpersonen müssten sich heute viel mehr mit anderen Lehrern und mit der Schulleitung absprechen als früher, die Eltern seien fordernder. Die Lehrer könnten deshalb zwischendurch kaum abschalten, so Zumstein.

Durch die neuen Unterrichtsformen, bei denen die Schüler mehr in Gruppen arbeiten, sei es zudem lauter geworden in den Schulzimmern – ein weiterer Stressfaktor.

Mehr Wertschätzung nötig

Gemäss der Schulberaterin Zumstein sind für die Gesundheit der Lehrer zwei Dinge besonders wichtig: einerseits Wertschätzung durch die Schulleitung und andererseits ein Bewusstsein für die eigene Situation.

Es sei wichtig, dass der Lehrerverband das Thema der Lehrergesundheit aufgreife, betonen Daniel Frey und Barbara Zumstein übereinstimmend. Doch dabei dürfe man nicht vergessen: Für die 90'000 Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz bestünden heute gute Hilfsangebote. Und den allermeisten gehe es gut, die Zufriedenheit liege bei 80 Prozent.

(galc; kurn)

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