SRF News Online: Herr Meschenmoser, Sie haben einen Beitrag zu Doktorarbeiten gemacht, die unter der Aufsicht von SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli entstanden sind. Dabei kam ans Licht, dass zahlreiche Arbeiten hauptsächlich auf der Transkription von alten Texten beruhen. Auch Autoren der Dissertationen kamen in Ihrem Beitrag als Informanten zu Wort. Die «Weltwoche» behauptet nun, ein Informant in Ihrem Bericht sei nicht glaubwürdig, weil er die Doktorprüfung bei Christoph Mörgeli nicht bestanden habe. Was sagen Sie dazu?
Weltwoche» gegen «Rundschau»
Marc Meschenmoser: Die «Weltwoche» hat die falsche Person erwischt – es handelt sich dabei nicht um den Informanten, der bei uns am 27. März anonymisiert belastende Aussagen gemacht hat. Unser Zeuge besitzt eine sehr hohe Glaubwürdigkeit, denn er hat sich mit seinen Aussagen selbst belastet. Was auffällt: Mit der versuchten Enttarnung werden die Repressalien gerade belegt, die dem Informanten drohen.
Die «Weltwoche» behauptet auch, eine zweite Informantin sei in der «Rundschau» falsch zitiert worden. Sie habe nicht nur eine Transkription abgeliefert.
Dazu kann ich nur sagen, dass diese Person in der Sendung korrekt zitiert wurde.
Christoph Mörgeli hat sich in der Sendung gegen Ihre Vorwürfe gewehrt. Er behauptet, die «Rundschau» beteilige sich an einer Kampagne gegen ihn – eine Kampagne, die von linken Kreisen, seinem ehemaligen Vorgesetzten Flurin Condrau und der Uni Zürich initiiert wurde. Was sagen Sie dazu?
Christoph Mörgeli hat sich für die Stelle des Rektors der Uni Zürich beworben und wiederholt betont, wie viele Dissertationen er neben seinem sonstigen Pensum betreut hat. Das hat mich dazu bewogen, den Qualitätsstandard dieser Dissertationen näher unter die Lupe zu nehmen.
Was haben Sie entdeckt?
Von sechzig untersuchten Dissertationen besteht mindestens ein Dutzend aus vorwiegend buchstabengenau abgeschriebenen Texten. Konkret handelt es sich dabei meist um Transkriptionen alter medizinischer Berichte. Nur wenige Seiten sind jeweils vom Autor selbst verfasst. Und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt beschränkt sich auf ein Minimum.
Allerdings gelten ja bei Dissertationen in der Medizin bekanntlich tiefere wissenschaftliche Ansprüche als beispielsweise bei den Geisteswissenschaften.
Das stimmt. Das haben wir in der «Rundschau» auch so dargestellt. Doch blosses Transkribieren eines alten Textes ohne wissenschaftliche Einordnung und Aufarbeitung reichen nicht für einen Doktortitel. Das sagen zumindest namhafte Experten, unter ihnen eine der europaweit renommiertesten Wissenschaftsexpertinnen für Doktortitel, Professorin Michelle Bergadaà, von der Uni Genf.
Christoph Mörgeli bezeichnet das Transkribieren als aufwendige wissenschaftliche Arbeit.
Das Transkribieren kann laut Experten je nach Schriftbild eine aufwendige Arbeit darstellen – allerdings ist das vor allem eine Fleissarbeit und keine wissenschaftliche Auseinandersetzung.
Ziehen Sie mit Ihrer Recherche nicht alle Medizin-Dissertationen in den Schmutz?
Die «Rundschau» hat die fragwürdigen Dissertationen und die Beteiligten an der Universität Zürich klar benannt. Zudem distanzierten sich mehrere andere Fakultäten der Universitäten Bern, Basel und Lausanne vom wissenschaftlichen «Gehalt» solcher Arbeiten. Die jetzt national und international geführte Diskussion über Qualitätsstandards für Doktortitel der Medizin zeigt, dass die Recherche ein gesellschaftspolitisch wichtiges Thema in die öffentliche Diskussion gebracht hat.