In diesen Tagen kontrollieren mehrere externe Prüfer die internen Arbeitsabläufe der Abteilung Mehrwertsteuer und befragen persönlich Mitarbeiter in den Büros der eidgenössischen Steuerverwaltung an der Schwarztorstrasse in Bern.
Denn die Vorwürfe gegen die Steuerverwaltung sind happig: Mobbing, Vetternwirtschaft, Führungsschwäche. Das ist das Ergebnis einer internen Personalbefragung, die der Bundespersonalverband diesen Frühling durchgeführte.
Mitarbeiter üben darin harsche Kritik an ihren direkten Vorgesetzten. Probleme würden jeweils mit einer Kündigungsdrohung vom Tisch gewischt, gewissen Führungspersonen fehle es nicht nur an Fachkompetenz, sondern sie seien generell überfordert. Die zentrale Arbeit, Steuern zu erheben und einzutreiben, habe keine Priorität mehr.
Risikobranchen würden zu wenig kontrolliert, die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen sei nicht sichergestellt. Ferner würden Mitarbeiter mit administrativen Aufgaben überhäuft, heisst es in den internen Kommentaren. Hinzu kommen Mobbingfälle, die derzeit Gegenstand interner Untersuchungen sind.
Wird die Abteilung korrekt verwaltet?
Alles begann mit einem unaufgeregten Brief anfangs Juni – geschrieben vom Direktor der eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK), Michel Huissoud, an den obersten Chef der eidgenössischen Steuerverwaltung, Adrian Hug.
Huissoud hat Fragen zur Führung der Hauptabteilung Mehrwertsteuer und das Verhalten der Kadermitarbeiter. Die Hauptabteilung Mehrwertsteuer ist neben der Hauptabteilung Unternehmenssteuer das zweite Standbein der eidgenössischen Steuerverwaltung und treibt jährlich 22 Milliarden Franken an Steuern ein.
Huissoud bittet den obersten Chef der eidgenössischen Steuerverwaltung um eine Stellungnahme bis zum 13. August zu drei einfachen Fragen: Werden Unternehmen auf ihre Mehrwertsteuerveranlagung korrekt kontrolliert? Erweisen sich die internen Mobbingvorwürfe als richtig? Und: Wird die Hauptabteilung Mehrwertsteuer überhaupt korrekt verwaltet? Weit weniger einfach sind die Untersuchungen, welche die EFK gleichzeitig anordnete.
Alte Probleme nicht gelöst
Die Probleme der eidgenössischen Steuerverwaltung sind nicht neu. Schon mehrmals übten Mitarbeiter massive Kritik an ihren Vorgesetzen. Das zeigen beispielsweise interne Dokumente aus dem Jahre 2011, die der «Rundschau» vorliegen.
Schon damals hiess es, der gesetzliche Auftrag werde nicht wahrgenommen, Strafdossiers blieben liegen, Betrüger würden nicht geahndet, ferner werde immer häufiger gemobbt. Chef der eidgenössischen Steuerverwaltung war damals Urs Ursprung, der von Bundesrat Hans-Rudolf Merz um die Jahrtausendwende eingesetzt wurde.
Ursprung musste im Juni 2012 aufgrund des Insieme-Skandals – einem IT-Projekt, bei dem über 100 Millionen Franken in den Sand gesetzt wurden – den Hut nehmen. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf setzte Mitte Dezember 2012 Adrian Hug, damals Chef der Steuerverwaltung des Kantons Zürich, als neuen Chef der eidgenössischen Steuerverwaltung ein. Hug gelobte bei seinem Amtsantritt Besserung, geschehen ist allerding nichts – bis heute.
Amtschef Hug reagiert nach Medienbericht
Der Chef der eidgenössischen Steuerverwaltung, Adrian Hug, hatte Mitte Juni einen runden Tisch mit den Mitarbeitenden organisiert, nachdem erstmals Mitte Mai interne Details an die Zeitung «Zentralschweiz am Sonntag» durchgesickert waren.
Vor einer Woche räumte Hug dann erstmals ein, dass in der Hauptabteilung Mehrwertsteuer tatsächlich ein «ungesundes Angstklima» herrsche. Dieses ergibt sich aus einem internen Mail des Bundespersonalverbands an die Mitarbeitenden von diesem Montag, das der «Rundschau» vorliegt.
Der Bundespersonalverband hatte am 24. Juni eine Aussprache mit Hug geführt. Hug selber bestätigt im Gespräch mit Sandro Brotz an der «Rundschau»-Theke Probleme in der Abteilung Mehrwertsteuer der eidgenössischen Steuerverwaltung: «Das hat stark mit der Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden zu tun, aber auch mit dem Aufarbeiten alter Probleme im Zusammenhang mit dem IT-Skandal Insieme».
Hug werde allen Vorwürfen nachgehen und nötigenfalls auch Massnahmen in die Wege leiten. Allerdings möchte er den EFK-Ergebnissen nicht vorgreifen. Die Untersuchung der Finanzkontrolle wird im Herbst abgeschlossen sein und dann dem Parlament vorgelegt.
«Leute befördert, wo sie nicht hingehören»
In der Kritik steht in erster Linie nicht Amtsleiter Hug, sondern der Abteilungsleiter Mehrwertsteuer und ein weiteres Kadermitglied. Nationalrätin Margret Kiener Nellen (SP/BE) ist vergangenen Dezember im Zusammenhang mit den Vorkommnissen bei der Mehrwertsteuer mit einer Motion vorstellig geworden.
Grund dafür seien aber auch die zunehmenden internen Berichte gewesen, wonach Unternehmen nicht mehr korrekt besteuert würden und in der Veranlagung ungleich behandelt worden seien. «Die Abteilung Mehrwertsteuer hat selber errechnet, dass über 200 Millionen Franken jährlich nicht korrekt abgerechnet wurden», sagt sie in der «Rundschau».
Hans Grunder (BDP/BE) ist Mitglied der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK). Er sieht bei den internen Problemen der Abteilung Mehrwertsteuer ein klares Führungsproblem: «Man hat Leute an Posten befördert hat, wo sie nicht hingehören», sagt Grunder gegenüber der «Rundschau».