Vor 20 Jahren nahm das Drama um die Sonnentempler seinen Lauf und endete mit einer Bilanz von insgesamt 48 Toten in der Westschweiz sowie 5 weiteren Toten in Kanada. Sie alle waren Mitglieder der Sekte und starben gemeinsam in den Räumlichkeiten der Sonnentempler.
Obschon die Geschichte der Sekte bisweilen gründlich ausgeleuchtet ist, bleibt dennoch die Frage: Gingen die Mitglieder alle freiwillig in den Tod oder wurde mitunter nachgeholfen?
Tote in Freiburg, im Wallis und in Kanada
Im Morgengrauen des 5. Oktober 1994 brennt im freiburgischen Dörfchen Cheiry ein abgelegener Bauernhof. Kurz darauf lodern im Ort Granges-sur-Salvan im Unterwallis drei Chalets. Beim Löschen werden insgesamt 48 Tote entdeckt, 23 Leichen in Freiburg und 25 im Wallis. Darunter Männer, Frauen und Kinder. Die meisten Toten weisen tödliche Schussverletzungen auf.
Die Nachricht hat sich kaum verbreitet, als die Behörden in Kanada einen weiteren Brand mit 5 Toten melden. Alle drei Anwesen, das war rasch klar, gehören dem Orden der Sonnentempler – einer Weltuntergangssekte, wie es heisst.
Opfer weisen Schussverletzungen auf
Zunächst geht man von Massenselbstmord aus. Denn ein Abschiedsschreiben macht deutlich: «Wir verlassen diese Erde ohne Bedauern, um in ganzer Klarheit und Freiheit eine Dimension der Wahrheit zu finden.» Zudem sind die beiden Sektenführer Luc Jouret und Jo Di Mambro unter den Toten.
Christian Brügger, Stabschef der Kantonspolizei Freiburg erinnert sich: «Männer, Frauen und Kinder lagen tot auf dem Boden, sternförmig angeordnet. Sie trugen Symbole, Farben und Mäntel auf sich», erklärte er in der Sendung «10vor10».
Die Untersuchungen zeigten allerdings rasch, dass viele der Menschen erschossen worden waren. Die Brände wurden erst danach per Zeitzünder ausgelöst. Wer sich erschiessen liess und wer kaltblütig ermordet wurde, bleibt ein Geheimnis. Die Schützen richteten sich offenkundig selber.
Keine Verurteilungen
Sektenspezialist Georg Schmid erklärt: «Nach heutigen Schätzungen sind die Leute zum Teil freiwillig in den Tod gegangen, zum Teil auch halbfreiwillig – wenn sie schon in der Sekte waren, mussten sie auch ganz mitmachen. Zum Teil wurden sie aber auch gezwungen und mit Kopfschüssen getötet.»
Auch für Christian Brügger ist heute klar: «Die Menschen, die hier starben, wollten nicht gehen. Nur ein kleiner Teil wollte das.»
Dem Drama folgten zwei Nachbeben. 1995 wurden 16 Leichen in Grenoble entdeckt, 1997 nochmals fünf Leichen in Kanada. In beiden Fällen handelte es sich um Sektenmitglieder, die den ersten «Transit» verpasst hatten. Sie starben freiwillig oder wurden von anderen Mitgliedern erschossen, die sich dann selber richteten.
Die Ermittler kamen nach jedem Drama zum Schluss, alle Schuldigen seien tot. Vor Gericht musste sich nur der Genfer Dirigent Michel Tabachnik verantworten. Er stand Jo Di Mambro, einem der beiden Sektenführer nahe. Tabachnik wurde von einem französischen Gericht allerdings freigesprochen.