Die offiziellen Angaben des Benzinverbrauchs eines Autos weichen immer stärker vom effektiven Verbrauch im Strassenverkehr ab. Dies hat eine Auswertung des Touring Club der Schweiz (TCS) ergeben. Vor zehn Jahren hätten die Autos auf 100 Kilometer 0,9 Liter mehr verbraucht als offiziell angegeben, teilt der Verband mit. Heute seien es bereits 1,5 Liter mehr. Dies betreffe nicht einzelne Modelle: «alle verbrauchen mehr», so das eindeutige Verdikt.
Wer nach dem Abgasskandal nun den «Verbrauchsskandal» wittert, richtet seine Empörung an die falsche Adresse: Denn die Hersteller schummeln nicht. «Schuld» ist laut dem TCS die «veraltete Messmethode» in der EU: «Diese lässt zu viele Spielräume bei den Prüfstandeinstellungen zu.»
Keine Laborverhältnisse auf der Strasse
Oder, wie es Andreas Burgener, Direktor von Auto Schweiz für den Laien zusammenfasst: «Es ist hinlänglich bekannt, dass das ein Labortest ist. Der TCS hat einen Strassentest gemacht – das sind zwei verschiedene paar Schuhe.» Doch wie erklärt sich, dass die Diskrepanz zwischen Labor und Realität zunehmend grösser wird?
Auch hier will Burgener vom Interessenverband der Auto-Importeure den Herstellern keine vorsätzliche Täuschung unterstellen. Der Grund liegt für Burgener auf der Strasse: «Die eingebaute Technologie verändert sich, genauso das Verkehrsaufkommen. Fahrzeuge, die dauernd im Stau sehen und dann wieder anfahren müssen, haben einen höheren Verbrauch.»
Laut TCS ist ein «zentraler Faktor» auch der individuelle Fahrstil – und den kann kein genormtes Testverfahren simulieren. Zudem nutzten die Hersteller die Freiheiten, die ihnen das aktuelle Prüfsystem zugestehe: «Wegen des Wettbewerbs und der politischen Zielvorgaben in der EU sehen sich die Autohersteller veranlasst, die Fahrzeuge auf einen geringen Treibstoffverbrauch hin zu optimieren», schreibt der TCS.
Das Problem ist erkannt
Die realen Verhältnisse auf der Strasse widerspiegelt der derzeitige Labortest also nicht. Das Verfahren sei «leider Gottes» einmal so definiert worden, wie es jetzt sei, sagt Burgener. Der Handlungsbedarf sei breit anerkannt: «Man ist bestrebt, einen weltweit gültigen Test zu kreieren.»
Und nicht nur die Behörden wollen, gerade nach dem Abgasskandal, neue Testverfahren: «Auch die Autoindustrie will neue Messbedingungen», so Burgener. Wahrscheinlich werde der neue, weltweit gültige Testzyklus 2018 in Kraft treten.
Bis dahin rät Burgener dazu, sich beim TCS, oder auch in einschlägigen Fachzeitschriften über den realen Benzinverbrauch zu informieren.
Die frohe Botschaft
Zum Schluss gibt es – trotz vermeintlichem Verbrauchsskandal – eine gute Nachricht für die Konsumenten: «Grundsätzlich verbrauchen die Autos heute weniger. Deswegen hat Verkehrsministerin Leuthard heute auch weniger ‹Benzingeld›», so Burgener.
Auch der TCS bestätigt: Die Fahrzeuge sind trotz der beschönigendenTestergebnisse energieeffizienter geworden. Der Verbrauch fällt zwar im Strassenverkehr in der Regel etwas höher aus als angegeben. Doch verbrauchen die Autos dank der technischen Entwicklung dennoch weniger Treibstoff als früher.