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Schweiz Weniger Obhutsentzug: Kinder werden heute anders geschützt

Nach der Tragödie in Flaach steht die neue Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde unter Beschuss. Mittels ihr würden mehr Kinder von den Eltern getrennt, so der Vorwurf. Doch ist das wirklich so?

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Nach der Kindstötung steht die Kesb in der Kritik
aus Echo der Zeit vom 05.01.2015. Bild: Keystone
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Den Eltern die Kinder wegnehmen, das will heute möglichst niemand mehr. Die Schweiz habe dahingehend eine sehr belastende Vergangenheit, sagt Beat Reichlin, stellvertretender Generalsekretär der Konferenz der Kantone für Kinder- und Erwachsenenschutz.

«Wir haben in diesem Bereich vor 50 Jahren ganz düstere Kapitel gehabt. Ich spreche auch von der Problematik der so genannten Verdingkinder.» Daraus habe man die Lehren gezogen. Solche Dinge sollten heute nicht mehr passieren, sagt Reichlin. «Es muss eine konkrete Gefährdung da sein, wenn man den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihr Kind entzieht.»

Viel vorsichtigeres Eingreifen

Zuerst erhielten die Eltern aber beratende Unterstützung oder Weisungen, als zweiten Schritt einen Beistand, und erst dann, wenn keine der Massnahmen nütze, werde der Entzug der elterlichen Sorge veranlasst.

Seit zwei Jahren ist der Kinderschutz in der Schweiz vereinheitlicht und professionalisiert. Das heisst, es bestimmen Fachleute und keine Laien mehr über die Massnahmen. «Das behördliche Verfahren wurde festgelegt und in diesem Sinne ist Rechtssicherheit für die betroffenen Personen garantiert», sagt Reichlin.

Nicht mehr Kindswegnahmen

Doch diese Professionalisierung stösst auf Widerstand. Sie führe zu mehr Eingriffen in die Familien und mehr Trennungen von Kindern und Eltern, lauten Vorwürfe, wie sie beispielsweise SVP-Exponenten äussern. Auch die Schriftstellerin Zoë Jenny formuliert Kritik. Mit der mit der Tötung der zwei Kinder in Flaach wird diese Frage wieder aktuell.

Dass mehr Kinder den Eltern weggenommen würden, davon könne keine Rede sein, sagt André Woodtli sehr dezidiert. Er ist Chef des Amtes für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich. Er bezieht sich auf die Heimstatistik und die ihnen erteilten Kindsschutzmandate: «Aus diesen zwei Quellen geht hervor, dass es quantitativ keine Veränderungen gibt, verglichen mit den Jahren zuvor.»

Auch im Kanton Bern würden tendenziell weniger Kinder den Eltern weggenommen und wenn, dann für kürzere Zeit, sagt Patrick Fassband, Präsident der Kesb Bern und Vorsitzender der Geschäftsleitung aller Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden im Kanton Bern.

«Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass heute früher eingegriffen wird. Das führt dazu, dass kein Obhutsentzug nötig ist.» Im Kanton Bern gebe es rund 30 Eltern, denen die Obhut ihrer Kinder entzogen wurde. Ein Anstieg sei nicht zu verzeichnen. Gleiches bestätigt auch Basel-Stadt.

Keine Zahlen

Gesamtschweizerisch gibt es aber keine aussagekräftigen Zahlen. Doch Reichlin von der Konferenz der Kantone für Kinder und Erwachsenenschutz stützt die Beobachtungen der Kantone: «Wir haben keine konkreten Zahlen im Moment. Aber die Tendenz ist nicht steigend, soweit ich das beurteilen kann.»

Dass es trotzdem zu tragischen Fällen wie der Tötung der zwei Kinder an Neujahr gekommen ist, belaste alle. Immer wieder stehe die Kesb vor der Frage; Kinder wegnehmen oder nicht, sagt Peter Moser, Amtsleiter der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde Basel-Stadt.

«Wenn Eltern die Kinder weggenommen werden, wird oftmals von einem ungerechtfertigten Zwang gesprochen. Wenn die Kinder andererseits in einer schwierigen Situation bei den Eltern bleiben, kann ihnen etwas passieren», so Moser.

Ein Leben lang Schuldgefühle

Eine Sicherheit gebe es leider nicht. Ohnmächtig sei man fast, sagt Peter Moser. «Schlimm ist, dass solche Dinge passieren können, und dass man dafür verantwortlich gemacht werden kann oder – was noch viel schlimmer ist – sich verantwortlich fühlt und ein Leben lang Schuldgefühle mit sich herumtragen muss.»

Ob und was anders hätte gemacht werden können, was verbessert werden muss und wer verantwortlich ist, diese Fragen müssen im konkreten Fall noch geklärt werden. Auch wird sich erst in ein paar Jahren zeigen, wie sich die neue professionelle Kesb wirklich auf die behördliche Trennung von Kindern und Eltern auswirkt.

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