Es ist wieder soweit, die Bauern versammeln sich vor dem Bundeshaus in Bern. Sie sind gegen die Sparmassnahmen, gegen die Kürzung des Rahmenkredits 2018-2021 um 800 Millionen Franken. Gerade jetzt sei dies ungünstig, sagen die Bauern. Jetzt wo die Preise fürs Schweinefleisch, für die Milch, für den Zucker im Keller sind.
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Gleichzeitig stieg in den letzten Jahren der Verdienst der Bauern stetig, der ausserlandwirtschaftliche Verdienst mit eingerechnet: Von 81‘500 Franken pro Betrieb im Jahr 2010 auf rund 94‘000 Franken 2015. Die Direktzahlungen des Bundes machen im Schnitt einen Viertel aus.
Trotzdem, den Bauern stinkt’s, Bauer sein, das ist kein Schleck, fürwahr. Es sind nicht nur die immer tieferen Weltmarktpreise. Es sind auch die Umstände. Wenig Ferien, die vermehrten Wetterkapriolen und die ständig ändernden Produktionsbedingungen, diktiert vom Staat. Dies ist die Meinung der Bauern.
Einmal Bauer, immer Bauer?
Nur, wer sagt denn, dass ein Bauer ein Bauer bleiben muss? Schon lange rechnen Ökonomen und Umweltverbände aus, welche Nachteile die Schweizer Volkswirtschaft und Bevölkerung hat, wenn die Schweiz im Verhältnis zur Agrarfläche derart viele Bauern am Leben erhält. Über 6 Milliarden Franken zahlen Steuerzahler und Konsumenten jährlich an die Bauern.
Nicht eingerechnet sind die Einbussen der übrigen Volkswirtschaft. Immer wieder verhindert die Bauernlobby Freihandelsabkommen, welche die allgemeinen Handelshemmnisse abbauen würden. Mit anderen Worten: 2 Prozent der Beschäftigten, die weniger als 1 Prozent zum Bruttoinlandprodukt beitragen, nimmt die übrige Volkswirtschaft regelrecht in Geiselhaft.
6 Milliarden: «Es sind zu hohe Direktzahlungen, die zu wenig an konkrete gemeinwirtschaftliche Leistungen gebunden sind, welche die Bevölkerung gemäss Umfragen von der Landwirtschaft erwartet», sagt Hans Rentsch, der das Buch «Der befreite Bauer» verfasst hat.
Versorgungssicherheit, ein Zahlungsgrund?
Etwa die Hälfte der Gelder fliesst unter dem Label «Versorgungssicherheit». Die Idee: Wenn die Welt dereinst rund um uns zusammenbricht, dann werden uns die Bauern versorgen. Dumm nur, dass auch das Öl für die Traktoren und die meisten Futtermittel importiert werden müssen. Und: «Nicht mal im Zweiten Weltkrieg hat die Schweiz sich selber versorgt, selbst damals hat unser Land Handel mit dem Ausland betrieben», sagt Rentsch.
Kommt dazu: Was leisten die Bauern konkret für die «Versorgungssicherheit» des Landes? Die Antwort des Sprechers vom Bundesamt für Landwirtschaft, Jürg Jordi: «Sie produzieren immerhin 60 Prozent der Lebensmittel, das ist nicht Nichts. Daneben sichern uns produzierende Bauern das Knowhow für den Anbau und die Aufzucht.»
Umweltbewusste Bauern?
Die «Versorgungssicherheit» ist indes nicht das erste, was die Schweizer Bevölkerung umtreibt. In Umfragen zur Landwirtschaft ist ihnen vor allem wichtig, dass die Lebensmittel naturnah produziert werden.
Richtig ist, die Schweiz hat eines der strengsten Regelwerke weltweit, wenn es ums Tierwohl und um die Umwelt geht. Doch ausgerechnet hier halten sich die Bauern oft mehr schlecht als recht an die Regeln. Umweltverbände wie Pro Natura bemängeln etwa immer wieder, es werde zu viel Gülle und Mist ausgetragen, auch an Orten, wo der Kuhdreck eigentlich nicht sein dürfte.
«Wir haben in der Schweiz immer noch zu viele Tiere, zu intensiv bewirtschaftete Flächen», sagt Rentsch. Was spricht für eine langweilige Fettwiese, was gegen ein Stück mehr Wald? «Dass die grünen Matten im Appenzellerland ein touristisches Argument sind, mag einleuchten. Aber warum müssen die steilsten Hänge im hintersten Tal gemäht werden?»
Jordi vom Bundesamt für Landwirtschaft kontert: «Das ist die Erfüllung des Verfassungsauftrages und letztendlich der politische Wille.» Tatsächlich erreichen die Bauern im Parlament für ihre Anliegen immer wieder Mehrheiten, von denen andere Branchen nur träumen können. Das zeigt auch, wie stark die Bauernlobby in Bern ist stark. Nur wenige Politiker wagen es gegen die Bauernlobby anzutreten.
Was, wenn TTIP kommt?
Der einfache Grund: Die Politiker wollen wieder gewählt werden. 60 Prozent der Bevölkerung wollen laut Umfrage, dass möglichst viele bäuerliche Betriebe aufrecht erhalten werden. «Die Menschen haben eine Neigung zum Status quo, sie wollen keine Veränderungen», so Rentsch.
Gut möglich, dass in der Bauern-Frage dereinst nicht die Schweizer Bevölkerung das letzte Wort hat, sondern die Entwicklung im Ausland. Der nächste Sturm ist im Anzug. Der braut sich zwischen den USA und der EU zusammen, das Freihandelsabkommen trägt den Namen TTIP und wird gegenwärtig intensiv zwischen den beiden Mächten verhandelt.
«Wenn das Abkommen Realität wird, hätte dies einschneidende Konsequenzen für die gesamte Volkswirtschaft, nicht nur für die Landwirtschaft», sagt Jordi. Ob die Diplomaten für die Schweizer Bauern dann gegenüber der EU und den USA Sonderrechte aushandeln können, bleibt offen. Offen bleibt auch, ob die Bevölkerung dann bereit wäre, die Einbussen der Bauern mit noch mehr Geld zu kompensieren. Sicher ist jedoch eines: Die nächsten Grossdemos der Bauern werden nicht auf sich warten lassen.