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Westschweizer Häftlinge sitzen länger als Deutschschweizer
Aus 10 vor 10 vom 07.11.2016.
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Schweiz Wenn der «Röstigraben» die Haftdauer bestimmt

Wer in der Westschweiz für ein Delikt verurteilt wird, muss in der Regel länger hinter Gitter bleiben als in der Deutschschweiz. Das zeigt eine bisher noch unveröffentlichte Studie, welche «10vor10» vorliegt. Der Grund: Die bedingte Entlassung wird in der Romandie deutlich restriktiver gewährt.

Das Gesetz ist klar: Hat ein Gefangener zwei Drittel seiner Strafe verbüsst, muss er grundsätzlich durch die zuständige Behörde bedingt entlassen werden. Ausnahmen sind nur möglich, wenn für den Häftling eine ungünstige Rückfalls-Prognose vorliegt. Doch nun zeigt eine erstmals durchgeführte Studie: Vor allem in der Westschweiz wird die Ausnahme vermehrt zur Regel.

Rückenansicht eines Häftlings, der an einem vergitterten Fenster steht.
Legende: Wer in der Deutschschweiz inhaftiert wird, hat gute Chancen, vor seinem Westschweizer «Kollegen» frei zu kommen. Keystone

Gleiche Verurteilung, ungleiche Handhabe

In den letzten 10 Jahren wurden in der Westschweiz nur 57 Prozent aller Häftlinge nach zwei Dritteln ihrer Strafe bedingt entlassen. In der Deutschschweiz dagegen waren es 83 Prozent. Studienleiter Thomas Freytag zu «10vor10»: «Das ist natürlich problematisch und kann zu Ungerechtigkeiten führen. So muss ein Häftling für die gleiche Tat in der Westschweiz länger im Gefängnis bleiben als in der Deutschschweiz.»

Wir orientieren uns an Frankreich, wo der Strafvollzug strenger ist als bei uns.
Autor: Pierre Maudet Genfer Sicherheitsdirektor

Der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet verteidigt die strikte Praxis: «Wir orientieren uns an Frankreich, wo der Strafvollzug strenger ist als bei uns. Dort ist es üblich, dass Täter bis zum Schluss der Strafe in Haft bleiben und nicht frühzeitig entlassen werden.»

Besonders gross sind die Unterschiede zwischen den Kantonen Waadt und Thurgau. Im Kanton Waadt werden lediglich 53 Prozent der Täter frühzeitig entlassen, im Thurgau sind es 97 Prozent. Der Präsident des Ostschweizer Strafvollzugkonkordats Paul Signer begründet die liberalere Praxis mit dem neu eingeführten Risikobezogenen Strafvollzugs. Täter würden bereits während der Haft auf ihre Rückfälligkeit überprüft und dann entsprechend therapiert. So sei es möglich, die meisten Täter nach zwei Dritteln ihrer Strafe zu entlassen.

Umdenken nach Fall Lucie

Doch in den letzten Jahren ist auch in der Deutschschweiz eine zunehmend restriktivere Handhabung der bedingten Entlassung zu beobachten. Im Kanton Aargau wurde in den letzten zwei Jahren nur noch jeder zweite Täter vorzeitig aus der Haft entlassen.

Die Studienautoren machen für diese Praxisänderung den Fall Lucie verantwortlich. Vor sieben Jahren hat ein Wiederholungstäter ein Au-Pair-Mädchen brutal umgebracht. Danach seien die Behörden bei der Erteilung der bedingten Entlassung deutlich zurückhaltender geworden.

Die Studienautoren fordern nun eine schweizweite Harmonisierung der bedingten Entlassung. Die Studie wird diese Woche an den Freiburger Strafvollzugstagen vorgestellt.

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