Man hört ihn kaum, den Elektrolastwagen, der beim neuen Coop-Verteilzentrum in der Nähe von Lenzburg eine Runde dreht. «Es ist super, dass Coop hier Pionierarbeit leistet und bereits mehrere solcher Lastwagen in Betrieb hat», sagt der baden-württembergische Energieminister, Franz Untersteller, nach dem Aussteigen: «Zum ersten Mal bin ich in einem elektrisch betriebenen LKW gesessen. Ich glaube, das ist die Zukunft».
Weniger «super» findet es der Grünen-Minister, wenn er auf die alten Kernkraftwerke in seiner Nähe angesprochen wird. Nach Fukushima hätten sie die genau angeschaut und seien zum Ergebnis gekommen, dass speziell das französische AKW Fessenheim und das schweizerische AKW Beznau in Deutschland nicht mehr am Netz sein dürften: «Sie entsprechen in etwa den acht Anlagen, die bei uns unmittelbar nach Fukushima vom Netz gegangen sind», so Untersteller.
AKW fordern Millionenentschädigungen
Nach deutschen Sicherheitsmassstäben wäre Beznau also längst vom Netz. Dafür ist Untersteller, der grüne Realo-Politiker, jetzt konfrontiert mit Schadenersatzforderungen von den deutschen Kernkraftwerkbetreibern. 260 Millionen Euro fordert das Energieunternehmen EnBW vom Staat wegen dem schnellen Aus – bisher unterlag der Energiekonzern vor Gericht.
«Ich bin nach wie vor sehr guter Dinge, dass auch der weitere Gerichtsweg zeigen wird, dass EnWB keinerlei Ansprüche geltend machen kann», sagt Untersteller – und lässt sich von Coop das nächste Projekt erklären, bei dem es um das Verladen von Lastwagen auf die Bahn geht.
Radikale Energiewende – mit Vorbildcharakter?
Walter Steinmann, Direktor des Schweizer Bundesamtes für Energie, steht daneben. Was sagt er zum deutschen Weg der Energiewende? «Baden-Württemberg und Berlin haben 2011 radikale Schritte beschlossen.» Radikal ist der deutsche Weg tatsächlich. Trotzdem schaut Steinmann mit grossem Interesse ins nördliche Nachbarland.
Denn während hierzulande dieses Jahr genau eine Windkraftanlage ans Netz gehen wird, sind es in Baden-Württemberg 120. Der Ausbau ist rasant. Trotzdem fehlt mit dem Abstellen der AKW Strom. Gehen in wenigen Jahren auch die letzten AKW vom Netz, muss Baden-Württemberg die Hälfte des Stroms importieren.
«Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind wir auf die enormen Kapazitäten angewiesen, die wir in Norddeutschland im Wind-on-shore-Bereich ausgebaut haben, und die wir künftig auch off-shore ausbauen müssen», sagt Untersteller.
Aber dazu müssen neue Hochspannungsstrassen von Nord nach Süd gebaut werden. Derzeit streiten sich Baden-Württemberg und Bayern darum, wo die verlaufen sollen. Niemand will die Strommasten.
Grenzüberschreitender Wissenstransfer
Auch mit der Schweiz gibt es zahlreiche offene Fragen. Es geht etwa um das Atommüllendlager an der deutschen Grenze und generell um die Frage, wie man trotz blockierter Gespräche mit der EU im Strombereich zusammenarbeiten kann.
Deshalb treffen sich Baden-Württemberg und die Schweiz einmal im Jahr, wie der Schweizer Amtsdirektor Steinmann sagt: «In verschiedenen Gebieten können wir lernen, zum Teil können sie lernen.» Der Austausch zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz soll deshalb – trotz unterschiedlicher Geschwindigkeiten – weiter geführt werden.